Denkfehler werden im Alltag und in der Wissenschaft nicht nur unabsichtlich
produziert. Manchmal sind sie unabdingbar, um eine Ideologie zu rechtfertigen
oder einfach einen Plan voranzutreiben. Mehr oder weniger absichtlich
produzierte (sophistische) Denkfehler sind nicht nur in der Tagespolitik
üblich.
Eine nur beinahe harmlose Form des Betrugs bilden die Beschönigungen
(Euphemismen). Mit ihrer Hilfe verschleiert man Gefahren, politische Absichten
oder wahre Hintergründe. Der Krieg wird nicht mehr beim Namen genannt,
er heißt dann Polizeiaktion oder schützender Gegenschlag. Brutale
Massenmorde nennt man ethnische Säuberungen, und Atombomben sind
nur noch thermonukleare Vorrichtungen. Man sagt Freisetzung statt Entlassung,
Minuswachstum statt Rezession, Terrorist statt Meuchelmörder. Ein
großer Staatsmann erkannte einmal ganz richtig, daß es zur
großen Kunst der Politik zählt, neue Namen für Institutionen
oder Maßnahmen zu finden, die unter alten Namen in der Öffentlichkeit
verhaßt geworden sind.
Ein besonders häufig produzierter fehlerhafter Denkansatz ist die
ausgeschlossene Mitte oder falsche Dichotomie. Man kann dergleichen tagtäglich
in den Leserbriefspalten der Tageszeitungen verfolgen. In einem breiten
Spektrum von Möglichkeiten werden dabei meist Extreme berücksichtigt:
"Entweder liebst Du Dein Land oder Du haßt es". Eine Zwischenstufe
wird nicht zugelassen. "Es gibt nur Katzenliebhaber und Katzenhasser".
Es wird hier übersehen, daß vielen Leuten Katzen egal sind.
"Wenn Du nicht ein Teil der Lösung bist, dann kannst Du nur
Teil des Problems sein". Die Reihe der Beispiele kann man endlos
fortsetzen. Auch die widersinnigen Vergleiche von kurzfristigen und langfristigen
Maßnahmen oder von Planungen, die miteinander nichts zu tun haben,
fällt unter diese Fehlerkategorie: "Warum kümmern wir uns
um die Erforschung des Weltalls, wo es doch so viele Flüchtlinge
gibt ?" Oder: "Wieso kümmert sich die Stadtverwaltung um
die Stadtbibliothek? Sollen die doch zuerst mehr Parkplätze bauen!"
Ein beliebter Schwindel liegt in der Beschränkung auf günstige
Umstände oder unterdrückte Beweise. Die erfolgreichen Treffer
werden präzise festgehalten, die Fehlschüsse werden verschwiegen
oder verdrängt. Ein Staat zählt beispielsweise gerne seine großen
Herrscher, die Halunken und Serienmörder vergißt man lieber.
Ein Wünschelrutengänger erwähnt gerne seine gefundenen
Wasseradern, die Nieten verdrängt er. Zum täglichen Brot der
Regenbogenpresse gehört die Wahrsagerei: "Die weltberühmte
Hellseherein Frau Luna Somnambula hat den Bombenkrieg gegen Jugoslawien
vorausgesagt". Purer Zufall, denn wie oft sich Frau Luna zuvor geirrt
hat, wird stillschweigend übergangen.
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