Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

 Jahresübersicht 1998

Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben.
(Nelson Mandela)


21. Dezember 2024


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SELEKTIVE WAHRNEHMUNG

1968 führte der Franzose Michel Gauquelin ein Experiment durch, welches in den Fachblättern häufig zitiert wurde. Gauquelin schaltete in einem bekannten Magazin ein Inserat, aus dem ersichtlich war, daß man bei ihm kostenlos Horoskope bestellen könne. Über fünfhundert Personen meldeten sich, worauf alle den gleichen Text zugesandt erhielten. Dabei handelte sich um ein Horoskop, welches der bekannte Astrologe André Barbault für den französischen Massenmörder Petiot berechnet und formuliert hatte. Dem Horoskop war ein Fragebogen mit dem Ersuchen beigefügt, diesen ausgefüllt an den Absender zurückzusenden. Die Hauptfrage in dem Fragebogen lautete, ob der Horoskoptext den Charakter der Person korrekt beschreibe. 94 Prozent der Leute waren überzeugt, daß das Horoskop des Massenmörders Petiot "ihren Charakter zutreffend" beschrieb.

In der Zwischenzeit wurde dieses Experiment an anderer Stelle wiederholt, wie zum Beispiel vor wenigen Wochen in Köln. Der Aufbau des Experiments entsprach demjenigen von Gauquelin. Diesmal wurden für das Horoskop die Daten des deutschen Massenmörders Friedrich Haarmann verwendet, der in den Dreißigerjahren 24 Menschen brutal umgebracht hatte. Über 200 Personen meldeten sich und bekamen alle das gleiche vermeintlich individuelle Haarmann-Horoskop zugeschickt. Das Ergebnis war abermals verblüffend. 91 Prozent meinten, daß im Horoskoptext "mein Charakter korrekt beschrieben wird". 15 Prozent waren sogar der Meinung, der Deutungstext sei "absolut perfekt". Die Endauswertung dieses Versuchs ist noch im Gange und wird demnächst in der Fachliteratur veröffentlicht werden.

Die erstellten Horoskope waren nicht das alleinige Interessensziel der Psychologen. Es ging noch um etwas anderes. Es tritt hier nämlich ein Phänomen zutage, das man als "selektive Wahrnehmung" bezeichnet. Dabei geht es um die schlichte Tatsache, daß fast alle Menschen das für richtig erachten, was sie von vorneherein für richtig halten wollen. Niemand ist vor diesem Fehler sicher.

Bei Horoskopen kann die selektive Wahrnehmung besonders leicht zutage treten, denn "ein deutlicher Wunsch nach Veränderung", ein "Hang zur Sensibilität", ein "Charakter, der zu fester und treuer Freundschaft neigt" und andere positive jedoch ungenau formulierte Eigenschaften findet wohl jeder an sich.

In den Wissenschaften können selektive Wahrnehmungen fatale Folgen haben. Viele Forscher mußten dieser menschlichen Schwäche Tribut zollen. Der bekannte englische Biologe und Philosoph Thomas Huxley hat einmal gemeint, daß Wissenschaft nichts anderes sei als ausgebildeter und organisierter Menschenverstand. Dieser ist fehlerhaft, wie Gauquelins Experiment und andere Erfahrungen gezeigt haben.

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© 1998 Rudolf Öller, Bregenz


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Helden der Wissenschaft:
Ejnar Hertzsprung
(1873-1967)
begründete mit Hilfe des Hertzsprung-Russel-Diagramms die moderne Kosmologie.


Rudolf Oeller:

Typhon District

Thriller über eine Gruppe von Wissenschaftlern, die Gott gründlich ins Handwerk pfuscht und dabei zugrunde geht.
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Alles beginnt mit einer harmlosen Untersuchung: Als Ben, ein Molekularbiologe, um Hilfe gebeten wird, weil die Schimpansenweibchen im Zoo keinen Nachwuchs bekommen, ahnt er noch nicht, dass seine Welt bald aus den Fugen geraten wird. Die Ursache der Zeugungsunfähigkeit ist nämlich eine Chromosomenmutation der Affendamen, und die bringt seinen Chef auf eine folgenreiche Idee. So entsteht das unter Verschluss gehaltene Projekt Typhon District, benannt nach einem Hybridmonster aus der Mythologie. Erst allmählich kommen bei Ben und seinem internationalen Team Zweifel auf. Doch da sind sie bereits tief in einem Strudel von Geld und Machtgier, Manipulation und Skrupellosigkeit gefangen. Nicht nur ihre eigenen Leben sind bedroht. Als sie das bemerken, ist es bereits zu spät.

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