Welt der Naturwissenschaften
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19. März 2024


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N-STRAHLEN

Die Wende zum 20. Jahrhundert hatte mehrere Umbrüche im Bereich der Naturwissenschaften und Technik zu bieten:

Der deutsche Physiker Konrad Röntgen hatte energiereiche Strahlen entdeckt, sein französischer Kollege Henri Becquerel fast zur selben Zeit die Radioaktivität, und Max Planck hatte eine revolutionäre Energieformel für Strahlen vorgelegt.

Die Entdeckungen von Becquerel, Planck und Röntgen bewirkten eine Art "Strahlenhysterie". Es konnte nicht ausbleiben, daß sich ehrgeizige Forscher auf alles konzentrierten, was tatsächlich oder vermeintlich strahlte.

Im Jahre 1903 untersuchte der angesehene französische Physiker Rene Blondlot, Professor an der Universität Nancy und Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften, die neu entdeckten Röntgenstrahlen. Bei seinen Versuchsreihen trat nun ein vermeintlicher Effekt auf, den Blondlot als Erscheinungsform einer neuen Art von Strahlen deutete. Er nannte diese nach seiner Heimatstadt Nancy "N-Strahlen" und schrieb ihnen phantastische Eigenschaften zu. In der Folge entwickelte sich eine merkwürdige Dynamik. Zahlreiche Forscher behaupteten, die N-Strahlen schon Jahre zuvor entdeckt zu haben. Bis zur Mitte des Jahres 1904 war die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen über N-Strahlen auf über 60 angewachsen, und der Forscherdrang wollte kein Ende nehmen.

Im Jahre 1905 besuchte Robert W. Wood, Professor für Physik an der amerikanischen John Hopkins Universität, das Labor des berühmten Professor Blondlot. Wood ließ sich die Versuche zum Nachweis der N-Strahlen vorführen, dabei veränderte er in einem unbeobachteten Augenblick heimlich Blondlots Versuchsanordnungen. Weitere seriöse Experimente wurden dadurch unmöglich gemacht. Trotzdem verliefen die nachfolgenden Tests zur Verblüffung des Amerikaners "erfolgreich".

Wood war es also mit Hilfe eines simplen Tricks gelungen, die vermeintliche Entdeckung Blondlots und seiner Freunde als Selbsttäuschungen zu entlarven. Die N-Strahlen stellten sich binnen weniger Tage als Hirngespinst heraus. Die mit wissenschaftlicher Gründlichkeit erfolgte Bloßstellung führte bei Blondlot schließlich zu Depressionen und zu seinem tragischen Tod. Blondlot war ein aufrichtiger Gelehrter, der trotz hervorragender Qualifikation Wahn und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden konnte.

Blondlots Geschichte ist kein historischer Einzelfall. Erst nach genauerer Prüfung erwies sich manche "Entdeckung" als wissenschaftliches Traumgebilde. Es zählt zu den Schwächen unserer sensationsgierigen Öffentlichkeit, alles Neue voreilig als große Errungenschaft zu werten. Oftmals ist es weise, erst nach Jahren ein Urteil zu fällen. Nicht alles, was Wissenschaftler als neu verkünden, muß zwangsläufig richtig oder nützlich sein.

Der Fall Wilkomirski
Gefühlte Wirklichkeit
Mörderbestien
Tägliche Denkfehler
Skeptiker
Techno-Mythen
Selektive Wahrnehmung
Placebos und Nocebos
Des Teufels Agitation
Erdstrahlen
Posttraumatischer Stress
Himalaja-Salz
Die wöchentliche Widerlegung
Radiaktive Elemente
RadioaktivitÄt
nature

© 1996 Rudolf Öller, Bregenz


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"Theke, Antitheke, Syntheke"
(Thriller über eine tragikomische Stammtischrunde auf dem Weg in den Tod)
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"Wir waren eine großartige Bande von Stammtischbrüdern an der deutsch-österreichischen Grenze, auch zwei Stammtischschwestern waren dabei. Wir pfiffen auf alle Corona-Bestimmungen und trafen uns an jedem Freitag – eine verschworene Truppe, fast schon ein Dream Team. Drink Team trifft es allerdings besser. Voll Hoffnung starteten wir ins Coronajahr 2020, am Ende wurde es eine teils fröhliche, teils depressive Reise in den kollektiven Tod."

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