„Ich glaube nur das, was ich sehe“ ist der Urteilsspruch
eines Menschen, der davon überzeugt ist, dass man nur den eigenen
Sinnen trauen darf. Gäbe es eine Steigerungsform für falsch,
hier wäre sie angebracht, denn Röntgen- und Gammastrahlen sind
genauso wenig unmittelbar wahrnehmbar wie Antimaterie oder subatomare
Teilchen. Letztere spielen in der Welt der Quanten mit unserer Wahrnehmung
sogar Katz und Maus, indem sie abwechselnd als Teilchen oder Wellen erscheinen
und durch scheinbar unüberwindliche Barrieren hindurch “tunneln“.
Eine der schlimmsten Beleidigungen der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit
stellt die Relativitätstheorie dar. Begonnen hatte alles mit dem
jungen schottischen Physiker James Clerk Maxwell, der im 19. Jahrhundert
ein System von Differentialgleichungen über elektrische und magnetische
Felder präsentiert hatte. Alle elektromagnetischen Strahlen, also
Licht, Radiowellen, Mikrowellen und andere, breiteten sich demnach unabhängig
von jedem äußeren Bezug immer mit Lichtgeschwindigkeit aus.
Einige Physiker hatten das bemerkt. Da sie in Maxwells Theorien keinen
Fehler entdecken konnten, begannen sie, allfällige Konsequenzen in
Betracht zu ziehen. Die Folgerungen waren aber so unbegreiflich, dass
es schon eines Genies bedurfte um die Sache konsequent durchzudenken.
Das Genie war ein Angestellter im Patentamt in Bern namens Albert Einstein.
Einstein zog sich in seiner Freizeit in sein Arbeitszimmer zurück.
Er hatte kein Labor und außer einer Handvoll Brieffreunde keine
Kollegen, mit denen er diskutieren konnte. Zudem besaß er nur Physikbücher,
leeres Papier, einen Bleistift und seinen Intellekt. 1905 veröffentlichte
er mehrere Aufsätze, darunter „Zur Elektrodynamik bewegter
Körper“. Diese Arbeit wurde später als „Spezielle
Relativitätstheorie“ bekannt. Einstein vertrat darin die Auffassung,
dass es weder einen absoluten Raum noch eine absolute Zeit gibt und dass
die Materie in eine unvorstellbar hohe Energiemenge umwandelbar ist.
Zehn Jahre später publizierte Einstein eine neue Theorie der Gravitation,
die heute als „allgemeine Relativitätstheorie“ bekannt
ist. Die Kernaussage lautet, dass die Schwerkraft das Gefüge aus
Raum und Zeit verändert. Geringe Schwerkraftfelder wie auf der Erde
verändern die Raumzeit nur unwesentlich, aber ein kosmischer Schlund
wie ein Schwarzes Loch lässt die Zeit still stehen.
Einsteins Lehrgebäude spaltete jahrzehntelang die Welt der Wissenschaft.
Heute stehen die Aussagen der Relativitätstheorie außer Streit,
weil sie sich in vielen Bereichen der Technik und Wissenschaft, vom GPS
über die Hochenergiephysik bis zur Kosmologie, als leistungsfähig
und konkurrenzlos erwiesen haben.
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