Die Diskussion über den EU-Beitritt der Türkei wird in ganz Europa
geführt. Es werden Schlussfolgerungen aus finanziellen, geografischen,
militärischen, historischen und religiösen Überlegungen
angeführt um der jeweiligen Überzeugung Gewicht zu verleihen.
Das wahrscheinlich gewichtigste Argument gegen einen Beitritt der Türkei
zur Europäischen Union ist ein religiöses. Es geht dabei gar
nicht so sehr darum, dass es in Europa zu einer Unverträglichkeit
der Religionen kommen könnte. Die Säkularisierung hat längst
dazu geführt, dass die Mehrheit der europäischen Bevölkerung
religiösen Dogmen eher gleichgültig gegenüber steht. Es
geht vielmehr um die Art des Denkens innerhalb des Islams.
Der Ägypter Sayyid Qutb (auch: Kutb, 1906-1966), hat diese Denkweise
in seinem Aufsatz „Der Islam - eine Religion für die Menschheit“
unter anderem folgendermaßen beschrieben: „Keines der Geschöpfe
Gottes, hat das Recht, Ihn, den Erhabenen, zu befragen, warum Er dies
alles so und nicht anders gewollt habe. Keines Seiner Geschöpfe darf
Ihn, den Allmächtigen, nach dem großen Schöpfungsplan
fragen, dem Plan, der in der Natur jedes erschaffenen Wesens beschlossen
ist. Keines Seiner Geschöpfe ist Gott ähnlich und besitzt gleich
Ihm Wissen oder nur die Möglichkeit, etwas zu wissen.“
Kurzum: Gott nach seinem Schöpfungsplan zu fragen, ist eine Sünde.
Einstein hatte seinerzeit mit seiner Bemerkung, dass er mit seinen Forschungen
die Gedanken Gottes in Erfahrung bringen wollte, gewissermaßen eine
Todsünde begangen. Ein kleiner Nebensatz bei Qutb gewährt zusätzliche
Einblicke. Offenbar hat sich die kopernikanische Wende im 16. Jahrhundert
nicht bis zu den radikal konservativen Theologen des Islams durchgesprochen:
„Sie [die Religion des Islam] wird nicht etwa in der Weise durch
die Macht Gottes in die Tat umgesetzt, wie durch Seinen Befehl das Firmament
entstand und die Planeten gemäß Seinem Willen die Erde umlaufen.“
Sayyid Qutb ist nicht irgendwer. Er gilt weltweit als der geistige Vater
des Islamismus, eine Ideologie, die sich nicht als eine Rückbesinnung
auf das Religiöse versteht, sondern als eine gewalttätige politisch-kulturelle
Revolte. Sollten islamische Länder der EU beitreten, so müsste
von ihnen, sozusagen als Hausaufgabe, das Zeitalter der Aufklärung
im 18. Jahrhundert, das ist die Zeit von Newton, Kant und Lessing, glaubhaft
nachgeholt werden. Grundlagenforschung zählt seit Dreihundert Jahren
zu den wesentlichen Bestandteilen der europäischen Identität.
Dies als Sünde gegen Gottes Plan zu sehen, ginge an das Rückgrat
unserer demokratischen Gesellschaft.
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