Unsere Fähigkeit zur Selbsttäuschung ist erstaunlich. Es
gibt Beispiele ohne Ende für die Neigung des Menschen, sich selbst
hinters Licht zu führen. Eine besonders raffinierte Methode, dies
zu beweisen, stammt aus der Psychologie. Dort gibt es den so genannten
„Barnum-Effekt“, der nach dem amerikanischen Zirkusgründer
Phineas Taylor Barnum benannt ist. Barnum bot ein buntes Programm an,
das jedem etwas zu bieten hatte („a little something for everybody“).
Der Barnum-Effekt ist am besten an banalen Zeitungshoroskopen, die
mit Wissenschaft absolut nichts zu tun haben, zu beobachten. Der amerikanische
Psychologe Bertram Forer machte schon vor Jahrzehnten mit seinen Studenten
Versuche, die später dutzendfach wiederholt wurden, in einigen
Fällen sogar im Fernsehen, wie etwa durch den großen Wissenschaftspublizisten
Dr. Hoimar v. Ditfurth. Mit Testpersonen wurde ein - angeblich nach
wissenschaftlichen Methoden erarbeiteter - Persönlichkeitstest
durchgeführt. Nach dem Test erhielten die Teilnehmer die (angeblich
wissenschaftlichen) Auswertungen mit der Aufforderung, den Wahrheitsgehalt
mit Zahlen von 0 (trifft gar nicht zu) bis 5 (trifft sehr gut zu) zu
beurteilen. Die Ergebnisse zeigten durchgehend hohe Werte von 4 und
darüber. Dies bedeutete, dass sich die Testpersonen mit den Testergebnissen
hochgradig identifizieren konnten.
Die Überraschung war groß, als erklärt wurde, dass
alle Teilnehmer den gleichen Text zu bewerten hatten, der zuvor aus
einem Horoskop zusammengestellt worden war. Es hieß da unter anderem:
„Sie wünschen sich, dass andere Leute Sie mögen und
bewundern, und dennoch tendieren Sie zu einer kritischen Meinung gegenüber
sich selbst. Sie haben zwar ein paar persönliche Schwächen,
können diese aber im Allgemeinen ausgleichen. Sie verfügen
über einiges Potential, das Sie bisher noch nicht zu Ihrem Vorteil
genutzt haben ...“ und so weiter und so fort. Das läppische
Blabla des angeblichen „Testergebnisses“ war von den Testpersonen
für bare Münze genommen worden. Alle Wiederholungen dieses
Barnum-Tests brachten weltweit hohe Zustimmungswerte.
Kommunikationstrainer kennen diesen Effekt und dressieren ihre Schützlinge,
meist Politiker und Spitzenmanager, erfolgreich. Eine Mischung aus einfach
formulierten Wünschen, unklaren aber gescheit klingenden Formulierungen
und suggerierenden Behauptungen mit sozialen Untertönen führen
oft zum Erfolg. Die tatsächliche Politik spielt natürlich
auch eine Rolle, aber ein Etikettenschwindel bringt mehr Punkte. Daran
sind nicht die Politiker schuld, sondern in erster Linie ein Volk von
Leichtgläubigen, das nur bestimmte Standardtexte hören will.