Christliche Fundamentalisten in Amerika kämpfen seit Jahren gegen
naturwissenschaftliche Theorien, die ihrer Meinung nach den Worten der
Bibel widersprechen. Kritisiert werden beispielsweise die Urknalltheorie
im Physik- und die Evolutionstheorie im Biologieunterricht.
Solche "materialistische Irrlehren" sind laut Tom Delay, Fraktionsvorsitzender
der Republikaner im Repräsentantenhaus, die Ursache für die
Schießereien an amerikanischen Schulen. Die vermeintlichen Gotteskrieger
feierten kürzlich einen Triumph: Im US-Bundestaat Kansas beschloss
die Schulbehörde, dass die Evolutionstheorie an den Schulen nicht
mehr verpflichtend gelehrt werden müsse. Bemerkenswert ist die Begründung:
"Niemand war bei der Entstehung des Lebens auf Erden anwesend. Deshalb
sollte jede Aussage über den Ursprung des Lebens nur als Theorie,
nicht als Tatsache bedacht werden". Diese Begründung ist insofern
ein Unsinn, als schließlich alle Begebenheiten in der Vergangenheit
nur als Theorien, niemals aber als wörtliche Wahrheiten behandelt
werden können.
Auch die Bibel macht da keine Ausnahme. Ein wesentlicher Teil des Neuen
Testaments ist die Geschichte von der Auferstehung. Bei Matthäus
kommen zwei Frauen zum Grab von Jesus. Daraufhin erscheint ein Engel,
wälzt den Stein weg und setzt sich auf den Stein. Bei Markus kommen
drei Frauen zum Grab. Der Stein ist bereits weggewälzt, ein Engel
sitzt im Grab drinnen und spricht zu den Frauen. Lukas berichtet, dass
mehrere Frauen zum Grab gehen, das Grab leer finden, worauf zwei Männer
erscheinen und zu ihnen sprechen. Bei Johannes kommt nur eine Frau zum
Grab, findet es leer, geht zu den Jüngern, worauf diese kommen und
staunen. Engel oder Männer erscheinen bei Johannes keine mehr.
Bücher werden rückblickendgeschrieben. Im vorliegenden Fall
ging es den Verfassern der Bibel weniger darum, genaue Fakten zu dokumentieren.
Die Autoren wollten Glaubensansichten darstellen. Sie vertrauten darauf,
dass Jesus auferstanden war. Da es keine Augenzeugen gegeben hatte, mussten
sie die Geschichte nach ihrer ungefähren Vorstellung nacherzählen.
So entstanden vier verschiedene Berichte. Welcher von ihnen wortgetreu
richtig ist, wissen wir nicht.
1993 erließ die höchste religiöse Autorität von
Saudi-Arabien eine "Fatwa", dies ist ein für Moslems unbedingt
anzunehmender Glaubenssatz. Darin wird erklärt, dass die Erde flach
sei, weil dies im Koran als ewige Wahrheit geschrieben steht. Wir werden
erst dann ein entspanntes Verhältnis zu den Religionen und zur Wissenschaft
bekommen, wenn wir erkennen, dass wir uns den Geheimnissen unserer Welt
nur vorurteilsfrei in Form von Theorien annähern können.
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