Benedikt von Nursia (6. Jahrhundert), der Begründer des europäischen
Klosterlebens, war als pragmatisch handelnder und sozial engagierter
Mönch in der wirren und gefährlichen Zeit der Völkerwanderung
einer der Erbauer der europäischen Gesellschaft, indem er beispielsweise
keinen Unterschied zwischen Germanen und Römern machte. Benedikt
zählte zu den ersten Kirchenmännern, die sich um die Gestaltung
des Lebens auch im Diesseits bemühten.
Der Schauspieler Mario Adorf spielte in der TV-Produktion „Der
Prozess Galileo Galilei“ (1989) eine Doppelrolle. Er stellte
in der Rahmenhandlung sowohl den italienischen Astronomen Galilei
als auch einen Reporter dar. In einer Szene sprach Adorf mit Kardinal
Joseph Ratzinger. Dabei kam ein interner Brief von Kardinal-Staatssekretär
Casaroli vom 3. Juli 1981 zur Sprache. Darin ging es um eine Studienkommission
über den Prozess gegen Galileo Galilei. Es hieß da unter
anderem: „ Es geht nicht um Rehabilitation sondern um ein objektiv
fundiertes Nachdenken über Galilei in heutiger Zeit“.
Als Mario Adorf Kardinal Ratzinger fragte, warum es die Kirche mit
der Wissenschaft so schwer habe, gab dieser unter anderem folgende
Antworten: „Man kann Geschichte nicht ungeschehen machen, man
muss aber aus ihr lernen. … Das Weitergehen der wissenschaftlichen
Reflexion hat ohnedies die Perspektiven verändert. Eine Wiederholung
des Prozesses gegen Galileo Galilei wäre ahistorisch oder antihistorisch.“
Adorf bohrte weiter: „Wie sieht die Kirche heute die Funktion
des Naturwissenschaftlers und wie ist in diesem Zusammenhang die Funktion
der Kirche? Ratzinger antwortete: „Die Kirche versucht, die
ethischen Dimensionen der Wissenschaft herauszustellen … Wir
versuchen aus der Vergangenheit zu lernen, uns aber nicht einfach
aus dem Disput um den Menschen, um den es hier geht, zurückzuziehen.“
Das gesamte Interview zeigt, dass Kardinal Ratzinger damals schon
anders dachte als religiöse Fundamentalisten. Ratzinger versuchte
als Präfekt der Glaubenskongregation - das ist immerhin die Nachfolgeorganisation
der Inquisition - die Lehre der Kirche nach innen zu verteidigen.
Einen Krieg gegen eine demokratisierte und säkularisierte Welt
im Allgemeinen und gegen die modernen Wissenschaften im Besonderen,
wie dies Papst Pius IX versucht hatte, hat Ratzinger längst als
sinnlos erkannt. Als Theologe mit Verstand hat er eingesehen, dass
sich die Kirche in einem Kampf gegen leistungsfähige wissenschaftliche
Theorien lächerlich macht. Es ist anzunehmen, dass die Rehabilitation
von Galileo Galilei und die Anerkennung sowohl der Urknall- als auch
der Evolutionstheorie durch Papst Paul II auf Ratzingers Einfluss
zurückgehen.
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