Papst Johannes Paul II feierte am 12. März 2000, am „Tag
des Vergebens“, einen Gottesdienst. Der Höhepunkt war dabei
eine Bitte um Vergebung, mit der sich der Papst für vergangene
Verfehlungen der Kirche entschuldigte. Die prominentesten aber bei
weitem nicht einzigen Opfer der Kirche waren die Mönche Roger
Bacon und Filippo Giordano Bruno sowie der italienische Astronom Galileo
Galilei. Papst Johannes Paul II hat trotz seiner unbeugsamen wertkonservativen
Haltung nie den Fehler einiger seiner Vorgänger wiederholt, die
geglaubt hatten, eine Art göttliches Recht auf Korrektur wissenschaftlicher
Theorien zu haben.
Im Mittelalter und in der Renaissance waren schlimme Fehler gemacht
worden, aber den größten Fehltritt hat sich ein Papst des
19. Jahrhunderts erlaubt.
Als Erzbischof Giovanni Mastai-Ferretti (1792-1878) zum Papst gewählt
wurde, nahm er den Namen Pius IX an. Einflussreiche Theologen hatten
damals zu bedenken gegeben, dass die Methode der Dogmenverkündigung
die Kirche in eine Sackgasse bringen könnte, doch der Papst war
gegenteiliger Meinung. Er behinderte eine Diskussion unter den Bischöfen,
indem er die Durchführung regionaler Bischofssynoden untersagte.
Da es nach der Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis
nur wenige Proteste gab, glaubte Pius IX, dass die Kirche auch das
Dogma der Unfehlbarkeit akzeptieren würde.
Die Absichten des Papstes wurden durch eine Indiskretion bekannt,
worauf sich eine massive internationale Allianz bildete. Priester,
Bischöfe und einflussreiche Laien begannen, öffentlich über
den Papst zu spotten. Im Gegenzug sorgte die Papstfraktion (die „Ultramontanen“)
für eine gottähnliche Verehrung. Pius IX wurde unter anderem
„König der Könige“, und „Vizegott der
Menschheit“ genannt. Schließlich setzte sich der Papst
durch. Das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes wurde am 1. Vatikanischen
Konzil verkündet. Im „Syllabus“, einem Katalog von
„Zeitirrtümern”, hatte Pius IX zuvor sogar die Verweltlichung
und Demokratisierung des geistigen und politischen Lebens verurteilt.
Die Veröffentlichung dieser „Kriegserklärung an die
moderne Kultur” wurde daraufhin in vielen Ländern verboten.
Pius IX wähnte sich am Gipfel der Macht, bis die Truppen des
geeinten Italiens dem damaligen Kirchenstaat ein Ende bereiteten.
Das Unfehlbarkeitsdogma, das die weltliche päpstliche Macht absichern
sollte, hatte deren Verfall nur noch beschleunigt. Weder Frankreich
noch Deutschland noch Österreich-Ungarn eilten dem bedrängten
Papst zu Hilfe.
Der am zweitlängsten dienende Papst, Johannes Paul II, hat den
elend gescheiterten und am längsten dienenden Pontifex, Papst
Pius IX, am 3. September 2000 selig gesprochen.
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