Sigmund Freud (1856-1939) zählte einst 3 Kränkungen der Menschheit
- eigentlich der Geisteswissenschaften - auf: die Kopernikanische,
die Darwinsche und seine eigene, die Freudsche. Nikolaus Kopernikus
(1473-1543) hatte in einem mehrbändigen Werk behauptet, dass
sich die Erde um die Sonne bewege und nicht umgekehrt. Kopernikus
wurde damals ausgelacht, Martin Luther nannte ihn einen "Esel". Galileo
Galilei wurde, obwohl er einige Jahrzehnte später das gleiche
behauptete wie Kopernikus, schon nicht mehr ausgelacht. Dieser Mann
war berühmt und einflussreich und für die Mächtigen
somit gefährlich. Die Inquisition veranlasste Galileis Verhaftung,
später wurde er zu lebenslangem Hausarrest verurteilt.
Die zweite Kränkung der Menschheit geht auf den englischen Biologen
und Geologen Charles Darwin (1809-1882) zurück. Darwin hatte
in seinem Buch "Über die Entstehung der Arten durch natürliche
Selektion" und in weiteren Werken die Theorie vorgestellt, dass die
gesamte belebte Natur aus einfachen Formen entstanden und der Mensch
mit den Tieren verwandt sei. Darwin schrieb: "Es ist wahrlich etwas
Erhabenes um die Auffassung, dass der Schöpfer den Keim allen
Lebens, das uns umgibt, nur wenigen oder gar nur einer einzigen Form
eingehaucht hat und dass, während sich unsere Erde nach den Gesetzen
der Schwerkraft bewegt, aus einem so schlichten Anfang eine unendliche
Zahl der schönsten und wunderbarsten Formen entstand und noch
weiter entsteht."
Die dritte Kränkung der Menschheit war nach Meinung Sigmund
Freuds die Entdeckung des Unbewussten. Obwohl sich die moderne Psychologie
von den meisten Freudschen Behauptungen, wie etwa der "Instanzenlehre",
dem "Ödipuskomplex" und anderen Thesen verabschiedet hat, bleibt
doch die für manche Menschen frevelhafte Feststellung bestehen,
dass wir nicht die Herren über unser Oberstübchen sind.
Weitere Erkenntnisse sollten folgen. 1953 wurde die Struktur der
Gene entschlüsselt. Unsere Haarfarbe und unsere Blutgruppe sind
nichts anderes als codierte Anweisungen auf einem fadenförmigen
Molekül. Schließlich erschien 1970 "Die Grenzen des Wachstums".
Wenngleich einige Zahlen in dem Buch inzwischen widerlegt wurden,
wissen wir nun doch um die Begrenztheit der Reserven an Boden, Wasser
und anderen Rohstoffen.
Die letzte und wahrscheinlich größte Kränkung steht
noch bevor. Es ist die Aufklärung der Funktion des Gehirns. Dies
ist äußerst schwierig, aber nicht unmöglich. Wir werden
es vielleicht noch erleben: Das detailgenaue Wissen über die
Arbeitsweise unseres Gehirns, die Entschlüsselung des Geistes
und vielleicht die Lösung des Leib-Seele-Problems.
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