Seit Jahren vergeht kein Tag, an dem nicht über irgendeinen "News-Ticker"
des Internets die frohe Botschaft verkündet wird, dass man im Bereich
der Genetik neue Erkenntnisse gewonnen habe. Meist ist von Erfolgen der
Gentechnik die Rede. Nicht selten wird auch davon berichtet, dass in einer
Pflanzen- oder Tierart oder gar beim Menschen ein neues Gen gefunden wurde,
das für irgendetwas verantwortlich ist - eine Krankheit, irgendeine
bemerkenswerte Fähigkeit oder auch eine Unfähigkeit. Eine kleine
und zufällige Auswahl von Schlagzeilen soll die rasanteGeschwindigkeit
zeigen, mit der die Revolution in der Biologie vorangetrieben wird:
Partnerwahl nach Genen, Status, Geruch (5. Feb. 1997); Schlüssel-Gen
für Immun-Aktivierung entdeckt (6. Feb. 1997); Rheuma: Erste Gentherapie-Versuche
(22. Nov. 1997); Chromosomen-Region für Autismus identifiziert (5.
März 1998), Forscher finden Parkinson-Gen (20. März 1998); Fettleibigkeit
genetisch bedingt? (7. Aug. 1998); Gene für innere Uhr der Bakterien
gefunden (8. Sept. 1998); Bereits die Hälfte aller menschlichen Gene
kartiert (12. Okt. 1998); Ein einziges Gen trennt verschiedene Arten (23.
Nov. 1998); Fettsucht zum großen Teil erblich (4. Dez. 1998); Erbittertes
Rennen um das menschliche Erbgut (27. März 1999); Gendefekt beeinträchtigt
Aufmerksamkeit (6. Apr. 1999); Gentherapie gegen Potenzstörungen
(22. Okt. 1999); Gen-Weihnachtsbaum leuchtet von selbst (25. Okt. 1999).
Es ist nicht lange her, da galt die These, fast alle Krankheiten werden
- von wenigen erblich bedingten abgesehen - von äußeren Umständen
geschaffen. Die Krankheitsursachen seien also vorwiegend auf Bakterien,
Viren, Zigaretten, Drogen usw. zurückzuführen. Erbkrankheiten
gelten ja heute noch als Makel, ja sogar - Gipfel des Unverstands! - als
"Strafe Gottes". In der Bevölkerung sind auch nur wenige Erbkrankheiten
bekannt, wie etwa die "Mukoviszidose" oder die angeborene Zuckerkrankheit.
Ausgerechnet "Trisomie-21", auch "Mongolismus" genannt, die alle Welt
für eine Erbkrankheit hält, wird nur in wenigen Fällen
tatsächlich vererbt.
Der Stand der Dinge ist eindeutig. Erstens: Jedes einzelne Lebewesen,
und dies gilt auch für Menschen, trägt in seinen Zellkernen
ein einmaliges und unverwechselbares Ensemble von Erbanlagen mit sich
herum. Kein Genom (die Gesamtheit der Gene) kommt in der Natur zweimal
vor. Zweitens: Unser Schicksal - auch viele Krankheiten, oder zumindest
eine Veranlagung dazu - ist stärker von Genen bestimmt, als noch
vor wenigen Jahren vermutet wurde. Drittens: Als Folge dieser Erkenntnisse
stehen dramatische gesellschaftliche Umwälzungen bevor, deren Umrisslinien
sich bereits abzeichnen.
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