Der Paukenschlag des deutschen Philosophen Peter Sloterdijk hatte gesessen.
In Vorträgen und Aufsätzen hatte er Ausdrücke wie "Menschenzucht"
und "Anthropotechnik" verwendet. Sloterdijk propagiert unter anderem die
"Menschenproduktion" mit Hilfe der Bio-Wissenschaften. Prompt wurde er
von Philosophen als "Kryptofaschist" beschimpft, was postwendend den Vorwurf
des "Linksfaschismus" zur Folge hatte: Die Menschheit solle sich laut
Sloterdijk endlich zu einer "kopernikanischen Mobilmachung" bekennen und
eine "ptolemäische Abrüstung" - gemeint sind alte, dogmatische
Ideologien - vornehmen.
Die Gentechnik war in den letzten Jahren im analytischen Bereich erfolgreich
gewesen, im synthetischen Bereich war man, trotz einiger Einzelerfolge,
über Ankündigungen kaum hinausgekommen. Man kann Gene von Pflanzen,
Tieren und Menschen routinemäßig lesen und entschlüsseln,
beim Zusammenbau der Gene hinkt man den Erwartungen aber hinterher. Nun
gehen Genetiker und Philosophen wie Sloterdijk aufs Ganze und fordern
die Akzeptanz der Menschenzüchtung durch den Abbau behindernder staatlicher
Vorschriften. Die Keimbahntherapie und die vorgeburtliche Diagnostik samt
Selektion sollen im kommenden Jahrhundert der Biologie zum Standard erhoben
werden.
Die Diskussion ist nicht neu. Bereits 1970 hatte der Theologe Karl Rahner
in einem Aufsatz ("Zum Problem der genetischen Manipulation aus der Sicht
des Theologen") geschrieben: "Der Theologe gerät in tiefe Ratlosigkeit,
wenn er nach seiner Stellungnahme zur genetischen Manipulation des Menschen
gefragt wird." Rahner gibt eine umfassende und vorsichtige Stellungnahme
zum Thema ab, die in der Feststellung endet: "Wie kann dieses Nein konkret
in die heutige Gesellschaft ... als innere Haltung und als innerer ‚Instinkt’
eingestiftet werden, obwohl sie eine ‚pluralistische Gesellschaft’ ist?"
1987 hatte die Glaubenskongregation der katholischen Kirche das Dokument
"Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen
Leben und die Würde der Fortpflanzung" veröffentlicht.
Darin heißt es unter anderem: "Ein rein therapeutischer Eingriff
[in den menschlichen Embryo], dessen Zweck die Heilung verschiedener Krankheiten
ist ..., kann grundsätzlich als wünschenswert betrachtet werden,
vorausgesetzt dass er auf eine wahre Förderung des persönlichen
Wohles des Individuums zielt, ohne seine Integrität zu verletzen
..."
Eine allgemeine Moralbiologie gibt es bis heute nicht. Die Entwicklung
geht daher auch wegen des Drucks der Wissenschaft zügig voran. Die
züchterischen Eingriffe in das menschliche Erbgut wird man mangels
einer verbindlichen Bio-Ethik und auch wegen einer eher gelangweilten
Öffentlichkeit in absehbarer Zeit für gerechtfertigt erklären.
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