Der katholische Theologe Karl Rahner wurde bereits 1970 gefragt, wie die Theologie
die Frage der genetischen Manipulation der Menschen durch die Wissenschaft
beurteile. Damals war das Thema noch Utopie. Rahner sagte unter anderem:
"Der Theologe gerät in tiefe Ratlosigkeit, wenn er nach seiner
Stellungnahme zur genetischen Manipulation des Menschen gefragt wird.
Die Sittlichkeit des Phänomens, die er beurteilen soll, bezieht sich
auf eine ganz neue, so bisher nicht gegebene Wirklichkeit. ... Hinsichtlich
solcher Dinge wird dann der Theologe, der gegenüber der Sache selbst
nur ein uneingeweihter ... Laie ist, gefragt, was von ihr menschlich,
sittlich und religiös zu halten sei. Wie soll der Theologe da nicht
ratlos sein?"
Inzwischen ist die Ratlosigkeit einer heftigen Diskussion gewichen, denn
menschliche Stammzellen sind ein Objekt der Biologie und Medizin geworden.
Stammzellen sind Bestandteile eines frühen menschlichen Embryos.
Sie bilden wegen ihres frühen Entwicklungsstadiums ein begehrtes
Rohmaterial für die biologische Forschung, weil - sehr einfach ausgedrückt
- alle Gene noch eingeschaltet sind. Könnte man Stammzellen durch
gezielte Manipulation zu bestimmten Gewebszellen entwickeln, so ließe
sich nach Bedarf ein Ersatz für menschliche Organe oder zumindest
Teile davon erzeugen. Niemand weiß, ob dieses "therapeutische
Klonen" jemals gelingen wird, doch diese Frage kann nur die Forschung
selbst beantworten.
Während Theologen, Philosophen und engagierte Laien noch diskutieren,
wurden längst vollendete Tatsachen geschaffen. Der Ministerpräsident
von Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, hat heuer zu Pfingsten dafür
gesorgt, dass israelische Stammzellen an die Universität Bonn zu
Forschungszwecken geliefert werden, damit Deutschland seinen hohen medizinischen
Standard nicht verliert. Menschliche Stammzellen sind nicht einfach zu
bekommen. Aus diesem Grunde ist ein weltweites Gerangel losgegangen. Nur
drei Institutionen besitzen reichlich Embryonen und können daher
Stammzellen in genügender Zahl anbieten: Die Universität von
Wisconsin (USA), das Rambam Medical Center in Haifa (Israel) und die Universität
von Singapur in Zusammenarbeit mit der Universität Melbourne in Australien.
In England hat die Forschung in Richtung therapeutisches Klonen bereits
begonnen, Frankreich hat sich kürzlich gleichermaßen dafür
entschieden, und Deutschland wird nach heftigen Debatten im Bundestag
wahrscheinlich ebenfalls mitmachen. Ob man es wahrhaben will oder nicht:
Was der Mensch kann, macht er auch. Ethische Begründungen sind nicht
mehr nötig oder werden bei Bedarf produziert und nachgeliefert. Der
Zug ist jedenfalls abgefahren.
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