Was ist die Schwerkraft? Wir wissen, dass sie uns am Boden hält
und Raum und Zeit krümmt, aber was ist sie wirklich? Was ist Leben?
Wir wissen, was ein Lebewesen ist, aber wenn wir versuchen, Leben genau
zu definieren, kommen wir in Schwierigkeiten. Wir könnten diese Fragen
endlos weiterführen. Wann entstand beispielsweise die Menschheit?
Dies ist unmöglich zu sagen, weil es sich um einen Millionen Jahre
dauernden Prozess handelt. Ähnlich schwierig ist die Frage zu beantworten,
wann genau menschliches Leben beginnt, die Meinungen gehen hier auseinander.
Die Gelehrten des Mittelalters glaubten, dass die männliche Seele
vierzig, die weibliche Seele achtzig Tage nach der Empfängnis in
den kleinen Körper gelangt. Eine komische Annahme, die von den Theologen
revidiert werden musste, als im 19. Jahrhundert die weibliche Eizelle
entdeckt wurde.
Betrachten wir die möglichen Stationen des Beginns menschlichen
Lebens: Zuerst dringt die Samenzelle in die Eizelle ein. In der Folge
verschmelzen die Kerne, dann kommt es - nach einer mehrstündigen
Pause - zur ersten Zellteilung. Wenn sich diese beiden Tochterzellen trennen,
können eineiige Zwillinge entstehen. Beim Übergang vom Acht-
zum Sechzehn-Zellstadium beginnt die Differenzierung. Die Zellen beginnen,
spezielle Gene ein- oder auszuschalten. Nach ein paar Tagen sollte sich
der Embryo in die Gebärmutter einnisten, aber nur etwa 50 Prozent
aller Embryonen schaffen dies, denn die Natur selektiert schonungslos.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Bildung der „Neuralrinne“
als Beginn der Entwicklung des Nervensystems. Ungefähr drei Monate
nach der Empfängnis ist die Entwicklung der Organe großteils
abgeschlossen, ab dieser Zeit wächst der Fötus nur noch.
Wie sehen Jugendliche dieses Thema? Eine Umfrage in einer 6. Klasse eines
Gymnasiums erbrachte interessante Ergebnisse. 28 Mädchen und Burschen
wurde die Frage gestellt, wann ihrer Meinung nach das menschliche Leben
beginnt. Die Befragung war anonym, zuvor war im Unterricht die Embryonalentwicklung
besprochen worden.
Fast die Hälfte der Antworten lautete auf das Ende der Differenzierungsphase,
und das ist im 3. Schwangerschaftsmonat. Zwei Schüler und sechs Schülerinnen
- ein knappes Drittel - legte den Beginn des Lebens mit der Einnistung
des Embryos in die Gebärmutter fest. Die verbleibenden Antworten
verteilten sich auf andere Zeitpunkte. Eine zweite Umfrage in einer Parallelklasse
erbrachte ein geringfügig abweichendes aber vergleichbares Ergebnis.
Das Resultat mag man akzeptieren oder auch nicht. Es zeigt schlaglichtartig,
dass der Einfluss naturwissenschaftlicher Fächer auf das Denken Jugendlicher
nicht unterschätzt werden sollte.