Das Wortungetüm „Präimplantationsdiagnostik“
(PID) wird seltener verwendet als der Begriff des Klonens, und doch ist
dieses Thema aktueller als alle anderen Bereiche der Fortpflanzungsmedizin.
Während die Welt nach wie vor mit leichtem Gruseln auf das erste
Klonbaby wartet – alle bisher erfolgten Meldungen waren voreilig
und reine Wichtigtuerei – ist die PID als Methode der Embryonenselektion
kein technisches Problem mehr. Vor wenigen Tagen tauchte nun die kaum
beachtete Meldung auf, dass zwei Drittel der Mitglieder des deutschen
nationalen Ethikrates sich für eine Zulassung der umstrittenen PID
in engen Grenzen aussprechen. Kinder, die mit großer Wahrscheinlichkeit
an einer Erbkrankheit leiden würden, sollen demnach nicht ausgetragen
werden müssen.
Die Retortentechnik ist eine Möglichkeit, unfruchtbaren Frauen durch
künstliche Befruchtung zu einem Kind zu verhelfen. Die Geschichte
der erfolgreichen Retortentechnik begann am 12. November 1977, als Dr.
Patrick Steptoe einen Acht Zell-Embryo in die Gebärmutter von Lesley
Brown pflanzte. Vier Monate später, im März 1978, wurde eine
pränatale (vorgeburtliche) Diagnostik durchgeführt. Am 25. Juli
1978 kam schließlich das erste Retortenbaby, Louise Brown, in Oldham
bei Manchester per Kaiserschnitt zur Welt. Mit diesem Schritt hatten der
Biologe Robert Edwards und der Gynäkologe Patrick Steptoe eine neue
Ära der Medizin eingeleitet. Ein Eileiterverschluss hatte bei Lesley
Brown eine natürliche Schwangerschaft unmöglich gemacht. "Ich
habe nicht Gott gespielt, sondern nur der Natur nachgeholfen", sagte
Dr. Steptoe nach der Geburt einer staunenden Öffentlichkeit.
Bei der Präimplantationsdiagnostik geht es nicht mehr um Fortpflanzung
allein. Die PID ist eine Schnittstelle zwischen Genetik und Retortentechnik,
denn hier erfolgt eine Feststellung vonErbkrankheiten am Embryo mit der
unabwendbaren Frage, ob ein genetisch geschädigter Embryo nicht besser
„verworfen“ werden soll. In einem Dossier plädieren nun
15 der 24 Mitglieder des deutschen Ethikrates dafür, PID unter der
Voraussetzung zuzulassen, dass Paare ein bekanntes Risiko haben, ein Kind
mit einem genetischen Defekt oder einer Behinderung zu bekommen.
Die Argumentation des deutschen Ethikrates wurde von Politikern der Grünen
und der CDU kritisiert, denn es wird eine unerfreuliche Entwicklung befürchtet.
Eines Tages wird man vielleicht Körpergröße, Haarfarbe,
Muskelbau, eventuell sogar Begabungsschwerpunkte voraussagen können.
Dann schlägt die Stunde der umfassenden Embryonenselektion. Auch
das wird von geschäftstüchtigen Leuten ethisch gerechtfertigt
werden können.
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