Komplizierte organische chemische Verbindungen, insbesondere die Bausteine
des Lebens, können aus einfachen Stoffen nicht spontan entstehen.
Das war lange Zeit die vorherrschende Vermutung in den Wissenschaften.
Erstaunlicherweise kam über Jahrzehnte hinweg niemand auf die Idee,
diese Frage zu überprüfen. 1953 beschloss der amerikanische
Student Stanley Miller, der Sache auf den Grund zu gehen. Er baute eine
einfache Apparatur aus zwei mit Röhren verbundenen Glaskolben. Im
unteren Kolben befand sich eine Flüssigkeit, die so genannte „Ursuppe“.
Sie bestand aus Wasser, Ammoniak und anderen einfachen chemischen Verbindungen.
Diese Ursuppe wurde erwärmt, der Dampf stieg in den oberen Kolben,
wo regelmäßig elektrische Blitze zwischen 2 dünnen Elektroden
zuckten. In einem weiteren Rohr kondensierte der Dampf und tropfte zurück
in die Ursuppe.
Mit dieser simplen Versuchsanordnung hatte Miller die Zustände auf
der noch jungen Erde vor 4 Milliarden Jahren im Labor simuliert: Unten
die erwähnte Ursuppe (engl.: „primordial soup“), oben
die Uratmosphäre mit den Blitzen als Energiequelle. Schon nach dem
ersten Tag beobachtete Miller, dass das Wasser im Kolben sich rosa einfärbte,
und am Ende der Woche war die Lösung tiefrot und trüb.
Die Sensation war perfekt, als Miller in der Ursuppe schon nach einem
Tag Aminosäuren entdeckte. Diese Verbindungen sind die Bausteine
der Proteine. Nach diesen ersten aufregenden Erkenntnissen wurde Millers
Versuch weltweit tausendfach wiederholt. Es war dabei egal, auf welche
Ausgangsstoffe und Energiequellen man zurückgriff. Hauptsache war
lediglich, dass das Gemisch Kohlenstoff-, Wasserstoff-, Sauerstoff- und
Stickstoffverbindungen enthielt, also jene Atome, die den Hauptbestandteil
aller lebenden Materie bilden. Mit welchen Mitteln man auch immer die
Bedingungen der Ur-Erde darzustellen versuchte, es entstanden in jedem
Fall die komplizierten Moleküle, deren Herkunft allen Forschergenerationen
bis dahin so geheimnisvoll erschienen war. Als Endprodukte fanden sich
nach und nach Ameisensäure, Essigsäure, Bernsteinsäure,
Milchsäure, Buttersäure, alle in der Natur vorkommenden Aminosäuren,
verschiedene Zucker, organische Basen, Porphyrine und Harnsäure,
ja sogar das zentrale Lebens-Energiemolekül ATP.
Die Frage nach der Entstehung des Lebens wurde durch den weltbekannten
Versuch Millers noch nicht beantwortet. Wir wissen aber heute sicher,
dass alle komplizierten Bausteine der Organismen spontan aus toter Materie
entstehen können.
Millers historischer Versuch wurde vor 50 Jahren durchgeführt, fast
zeitgleich mit der Publikation der Struktur des berühmten DNA-Moleküls.
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