Den Schöpfungsmythen, die uns bei Naturvölkern und in den meisten
Religionen begegnen, liegt die unveränderliche Auffassung einer Welt
zugrunde, die sich nicht mehr weiterentwickelt. Nach dem Schöpfungsakt,
der erst vor wenigen tausend Jahren stattgefunden hatte - so die Grundaussage
der Mythen -, wurde nichts mehr Neues erschaffen. Die berühmte Rechnung
von Bischof Ussher, der im 17. Jahrhundert zu dem Ergebnis kam, die Welt
sei im Jahre 4004 vor Christus erschaffen worden, ist eher wegen ihrer
fehlerhaften theologischen Präzision interessant als wegen ihrer
falschen Grundlage. Die Rechnung stammt noch aus einer Zeit, in der jeder
Griff in die Geschichte der Menschheit allein von Traditionen und schriftlichen
Überlieferungen bestimmt wurde. Erst die Naturforscher und Philosophen
der Aufklärung des 18. Jahrhunderts und die Geologen und Biologen
des 19. Jahrhunderts konnten die Zeitachse entscheidend verlängern.
Vor 250 Jahren, im Jahr 1749, machte der französische Biologe und
Geologe Georges Louis Leclerc, später Comte de Buffon, den ersten
Versuch, das Alter der Erde zu berechnen und kam dabei auf wenigstens
70 000 Jahre. In unveröffentlichten Notizen hatte er 500 000 Jahre
vermerkt. Buffon war ein Naturforscher und Autor, der sich nicht alter
Mythen bediente, als er die erste umfassende Darstellung über Biologie
und Geologie der Erde schrieb.
Leclercs wissenschaftliche Laufbahn begann, als er nach einem Aufenthalt
in Italien nach Frankreich zurückkehrte und sich einer Gruppe französischer
Intellektueller anschloss. 1734 erhielt er Zugang zur königlichen
Akademie der Wissenschaften und setzte seine wissenschaftlichen Studien
fort. Sein Hauptwerk war die "Histoire naturelle" (Naturgeschichte), ein
36-bändiges Werk, das zwischen 1749 und 1789 veröffentlicht
wurde. In diesem Werk lieferte Leclerc zum ersten Mal einen naturkundlichen
Beitrag über die Erdgeschichte, in dem er mineralogische, botanische
und zoologische Themen umfassend darstellte. Zur Erklärung von Naturerscheinungen
wurden nur fundierte Argumente verarbeitet. Das hervorragende Werk zählt
zu den großen Errungenschaften des Zeitalters der Aufklärung.
Die Bedeutung des Autors in Kreisen französischer Intellektueller
und Politiker wurde unterstrichen, als König Ludwig XV. Georges
Leclerc 1773 zum Comte de Buffon ernannte.
Der Philosoph Immanuel Kant ging in seiner "Allgemeinen Naturgeschichte
und Theorie des Himmels" von 1755 gedanklich so weit, dass er von einem
Hunderte Millionen Jahre alten Universum schrieb. Ganz offensichtlich
hatten sich Buffon und Kant erstmals eine Welt vorgestellt, die ihr Aussehen
einer sehr langen Entwicklung verdankt.
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