Unter Forschern kursiert ein alter Witz, der ein Körnchen Wahrheit
enthält. Der nullte Hauptsatz der Wissenschaftsgeschichte lautet:
"Ein Satz oder Effekt, der den Namen einer Person trägt, stammt
von einer anderen." Was auf den ersten Blick wie ein angegrauter
Kalauer aussieht, enthält den interessanten Gedanken, daß neue
Erkenntnisse und Erfindungen niemals aus dem Nichts kommen wie ein Blitz
aus heiterem Himmel. Neues hat sich immer schon angekündigt. Die
Genies sind es jeweils, die dieses Neue rechtzeitig ans Tageslicht befördern.
Man spricht gerne von der "kopernikanischen Wende" und meint
damit die Umkehrung des alten Weltbildes wonach die Erde im Mittelpunkt
des Universums liegt. Das neue Bild des Universums ist in Wahrheit alt
und wurde früher bereits von Philosophen wie Aristarch von Samos
oder Nikolaus von Kues vertreten. Die Fernreisen von Columbus, Magellan
und anderen trugen ebenfalls zur Entwicklung des neuen Weltbildes bei.
Durchgesetzt wurden die kopernikanischen Theorien von Galileo Galilei,
Johannes Kepler und endgültig im 19. Jahrhundert durch den Astronomen
Friedrich Wilhelm Bessel.
Dem englischen Universalgelehrten Charles Darwin wird gerne die Entwicklung
der Evolutionstheorie zugesprochen. Tatsächlich hat schon Aristoteles
im Altertum richtig erkannt, daß der Mensch mit den Delphinen näher
verwandt ist als mit den Fischen. Die erste geschlossene Evolutionstheorie
stammt vom französischen Biologen Jean Baptiste de Lamarck, und noch
vor Darwin hatte der englische Biologe Alfred Russell Wallace eine geniale
Theorie von der Entwicklung des Lebens entworfen, die aus heutiger Sicht
moderner und schlüssiger war als diejenige von Darwin.
Der Relativitätstheorie von Albert Einstein wurde im 19. Jahrhundert
von den Physikern James Clerk Maxwell und Hendrik Antoon Lorentz der Weg
bereitet; der Entschlüsselung der Erbmasse durch James Watson und
Francis Crick gingen chemische und radiologische Experimente durch unzählige
Chemiker voraus und die moderne Raketentechnik wurde durch die Berechnungen
des Russen Konstantin Ziolkovsky und des Deutschen Hermann Oberth vorbereitet.
Die Frage, die uns heute bewegt, reicht ins 21. Jahrhundert hinüber:
Was ist an neuen Erkenntnissen über die Welt und die Menschen zu
erwarten? Eine Richtung ist bereits erkennbar, es ist der Trend der radikalen
Biologisierung. Krankheiten wird man mit neuen Methoden rascher erkennen
können, und das evolutionäre Weltbild wird sich festigen. Angejahrte
Praktiken wie etwa die Psychoanalyse werden auf Grund neuartiger Erkenntnisse
und neurobiologischer Methoden rasch an Bedeutung verlieren.
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