Kürzlich (April 2004) starb einer der berühmtesten Biologen
des 20. Jahrhunderts, der Engländer John Maynard Smith. Zu den bekanntesten
Arbeiten seines umfangreichen Lebenswerkes zählen die Anwendung mathematischer
Modelle in der Evolutionsbiologie sowie seine Beiträge zur Frage,
warum sich die geschlechtliche Fortpflanzung entwickelt hat. Der Verfasser
vieler Bücher und Artikel wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet,
darunter 1986 die Darwin-Medaille und 2001 der Kyoto-Preis, die höchste
private Auszeichnung Japans für das Lebenswerk eines Wissenschaftlers.
Ihm zu Ehren verleiht die „European Society for Evolutionary Biology“
seit 1997 alle zwei Jahre den John Maynard Smith-Preis an herausragende
junge Evolutionsbiologen.
Der Tod von Maynard Smith erinnert daran, dass die Evolutionstheorie
für einige Zeitgenossen immer noch ein Problem darstellt. In den
USA wird von religiösen Gruppen regelmäßig versucht, die
Evolutionsbiologie aus dem Schulunterricht zu verbannen. Da in den USA
eine Trennung zwischen Staat und Religion herrscht, wird das scheinwissenschaftliche
Argument bemüht, die Evolutionsbiologie, also die Lehre von der allmählichen
Entwicklung der biologischen Arten, sei lückenhaft und daher in Frage
zu stellen. Ein kürzlich in Italien unternommener Versuch, den Biologieunterricht
entsprechend zu beeinflussen, schlug fehl.
Dem Versuch, die Evolutionsbiologie als unausgegoren darzustellen, liegen
sowohl Missverständnisse als auch Unkenntnis zugrunde. Die Missverständnisse
haben damit zu tun, dass keine einzige naturwissenschaftliche Theorie
abgeschlossen und endgültig „bewiesen“ ist. In jedem
Fall - die Quantenphysik, die Kosmologie, die Genetik, die Evolutionsbiologie
und viele andere Lehrgebäude eingeschlossen - handelt es sich um
mühevoll zusammengetragene Mosaike, deren Bilder erkennbar sind,
auch wenn einzelne Steine noch fehlen sollten.
Die brennenden Fragen der Evolutionsbiologie, wie groß die tatsächliche
genetische Vielfalt innerhalb einer biologischen Art - einschließlich
der menschlichen - ist, und wie aus diesem Rohmaterial neue Arten entstehen
können, wurden schon vor über 30 Jahren vom Amerikaner Richard
Lewontin beantwortet und in der Folge von Biologen weiter erforscht. In
der Zwischenzeit wurden unzählige Fossilien gefunden und ihre Altersbestimmung
mit modernen Methoden weiter verfeinert. Genetiker haben zusätzlich
eine Fülle von Mechanismen offen gelegt, die uns die Evolution des
Lebens über 100 Jahre nach Charles Darwin als konkurrenzlose Theorie
erkennen lassen.
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