Man
stelle sich folgende Situation vor: Ein wie ein Gerichtshof organisierter
Ausschuss mit honorigen Vorsitzenden überprüft berühmte
Forscher und ihre Theorien, um deren Berechtigung zur Aufnahme in
die Schulbücher festzustellen. Gegner und Befürworter der
Lehrgebäude kommen dabei zu Wort. Die heutige Chemie wird überprüft,
indem die Bücher von Antoine Lavoisier (1743-1794), der Begründer
der wissenschaftlichen Chemie, auf Herz und Nieren untersucht werden.
Die heutige Astronomie wird auf ihre Tauglichkeit untersucht, indem
die Werke des italienischen Astronomen Galileo Galilei (1564-1642)
geprüft werden, und die moderne Optik wird auf der Grundlage
der wissenschaftlichen Schriften des englischen Physikers Isaac Newton
(1643-1727) beurteilt.
Der Unsinn dieses Unterfangens, heutige Wissenschaften an alten Schriften
zu messen, ist sofort erkennbar. Trotzdem fand im US-Bundesstaat Kansas
eine irrwitzig anmutende Verhandlung statt. Wieder einmal wurden die
Theorien eines Begründers der modernen Biologie, Charles Darwin
(1809-1882), von einem Forum „überprüft“.
Vertreter diverser Pseudowissenschaften hatten dieses Tribunal gefordert,
um eine Anerkennung ihrer Ideen zu erreichen. Die "Young Earth"
Kreationisten glauben an eine wörtliche Auslegung der biblischen
Schöpfungsgeschichte. Die Erde entstand demnach vor einigen tausend
Jahren, die modernen Geowissenschaften werden nicht akzeptiert. Die
"Old Earth" Kreationisten glauben ebenfalls an einen einzigen
kurzen Schöpfungsakt, aber sie akzeptieren die modernen Geowissenschaften
samt den Altersbestimmungen geologischer Schichten. Die Entstehung
neuer Tier- und Pflanzenarten wird jedoch abgelehnt. Die "Day
Age" und "Gap" Kreationisten glau-ben ebenfalls an
eine ältere Erde, aber für sie hat der Schöpfungsakt
genau sechs Tage gedauert mit längeren Abständen („gap“)
dazwischen. Zurzeit wird eine neue ideologische Wildsau durchs Dorf
gejagt, das „Intelligent Design“.
Der Initiative in Kansas liegen mehrere schwere Denkfehler zugrunde.
Erstens werden in den Wissenschaften Naturgesetze analysiert. Die
Erforschung der Existenz eines übernatürlichen Wesens war
und ist nie Thema einer Naturwissenschaft sondern bleibt Glaubenssache.
Zweitens sind Darwins Theorien eineinhalb Jahrhunderte alt. Wissenschaften
sind aber an aktuellen Theorien zu überprüfen. Die moderne
Biologie kann längst die Entstehung neuer Tier- und Pflanzenarten
unmittelbar beobachten, wobei sich Darwins Ideen als richtungsweisend
herausgestellt haben. Charles Darwin vor Gericht ist daher nichts
anderes als eine Narretei rückständiger Kreise im amerikanischen
„Bible-Belt“.
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