Der diesjährige vorweihnachtliche Sachbuchtipp betrifft die Biografie
eines Naturforschers, der das Denken in den modernen Wissenschaften nachhaltiger
beeinflusst hat als irgendein Philosoph.
Charles Robert Darwin wurde 1809 in einem kleinen Ort in England geboren.
Er studierte Medizin im „Athen des Nordens“, im schottischen
Edinburgh. Das Medizinstudium brach er ab, nachdem er gesehen hatte, welch
rüde Methoden in der Chirurgie üblich waren. Ohne Betäubungsmittel
schnitt man damals schnell und blutig. Der junge Darwin hatte, da sein
Vater ein prominenter und erfolgreicher Arzt war, genügend Geldmittel
zur Verfügung. So konnte er sich allerlei Vergnügungen wie der
Jagd und dem Insektensammeln hingeben.
Als Vater Robert Darwin erkannte, dass sein anscheinend missratener Sohn
sich brotlosen Beschäftigungen widmete und einen Versorgungsposten
benötigen würde, entschied er, dass Charles in Cambridge Theologie
studieren müsse. Im England des 19. Jahrhunderts war es bei wohlhabenden
Familien Brauch, Söhnen, die keinen einträglichen Beruf anstrebten,
eine Pfarrei samt Immobilien zu kaufen. Also studierte der junge Darwin
auf Befehl des Vaters Theologie.
Als einer der Mentoren, der das Talent des jungen Mannes erkannt hatte,
eine dreijährige Forschungsreise nach Südamerika anbot, konnte
Darwin ein Theologiediplom sowie gute Kenntnisse in Geologie und Zoologie,
die er sich neben dem Studium angeeignet hatte, vorweisen. Auch die Evolutionstheorie
des französischen Biologen Jean Baptiste de Lamarck war ihm durch
einen Edinburgher Lehrer vermittelt worden. Aus der dreijährigen
Forschungsreise mit dem Vermessungsschiff „Beagle“ wurde eine
fünfjährige Weltreise, auf der Darwin zu einem der besten Geologen
und Biologen des 19. Jahrhunderts heranreifte. Darwins eigene neue Theorie
von der Abstammung der Arten, die über die damals bereits existierenden
Theorien weit hinausgingen, hatte er nicht während der Weltreise
entwickelt, sondern erst Jahre später nach der Erforschung von Fossilien
und Sonderformen bei Rankenfußkrebsen, Orchideen und anderer Tier-
und Pflanzengruppen.
Das Buch von Desmond und Moore „Darwin“ (Verlag List) ist
die bisher bisher beste Darwin-Biografie, weil viele Briefe, die erst
vor einigen Jahren aufgetaucht sind, berücksichtigt wurden. Es werden
falsche Schulbuchlegenden über Darwin ausgeräumt, und die wissenschaftlichen
und politischen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts auf spannende Weise
beschrieben. Es war eine Zeit, in der vieles hinterfragt und der Boden
für die bevorstehenden wissenschaftlichen Neuerungen aufbereitet
wurde. Für neugierige Jugendliche und Junggebliebene gibt es außerdem
einen prachtvoll bebilderten Band. Peter Sis: „Der Baum des Lebens“
(Verlag Hanser). Ein Tip für Bibliophile.
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