Gescheite Menschen - oder solche, die sich dafür halten - belehren
uns seit Urzeiten, wie wir sind oder wie wir zu sein hätten. Die
einen erzählen uns, dass Erdenbürger, die zu gleichen Jahreszeiten
zur Welt gekommen sind, ähnliche Charaktereigenschaften hätten.
Andere glauben zu wissen, dass Männer (oder auch Frauen) die besseren
Geschöpfe sind, dass alle Menschen von Geburt an biologisch gleich
seien, dass alle beobachtbaren Unterschiede nur durch Erziehung entstünden
oder dass Menschen verschiedener Rassenzugehörigkeit besser oder
schlechter konstituiert, kurzum: minder- oder hochwertig seien. Der Supermarkt
der Ideologien ist prallvoll.
Die amerikanische Feministin Susan Faludi hat ein provozierendes Buch
über den Geschlechterkampf in den USA geschrieben. Der Mann, so schreibt
sie, sei ein "armseliges Wesen", dem "Vorbilder fehlten" und der "unfähig
sei, sich zu emanzipieren". Den Männern fehle auch, so liest man,
eine "alternative Vision der Männlichkeit". Diese Sprüche erinnern
an das Buch "Mann bist du gut!" aus dem Jahr 1990. In diesem Werk werden
alle Frauen als kümmerliche Wesen beschrieben, welche die wahre Größe
der Männer nie verstünden. Derlei Phrasen werden bisweilen auch
mit dem Aushängeschild der Psychologie verkündet, die im Zeitalter
der Naturwissenschaften ohnehin eine Identitätskrise erleidet.
Wissenschaftlich betrachtet ist nichts dergleichen von Wert. Der US-Biologe
Richard Lewontin, hat sich in den Sechzigerjahren mit der Frage beschäftigt,
wie groß der genetische Unterschied zwischen Individuen innerhalb
einer Tierart sei. Mittels raffinierter Methoden - er isolierte unterschiedliche
Enzyme - entdeckte er einen unerwartet hohen genetischen Verschiedenheitsgrad.
Als er die Methode auch bei Menschen anwandte, war das Ergebnis das gleiche.
Seine 1967 veröffentlichte Arbeit "An Estimate of average Heterozygosity
in Man" ("Eine Einschätzung durchschnittlicher genetischer Verschiedenheit
bei Menschen") und nachfolgende Publikationen gelten als Standardwerke.
Lewontin hatte interessante Details entdeckt: Die genetische Verschiedenheit
innerhalb einer bestimmten Menschengruppe (Männer, Frauen, Franzosen,
Tibetaner, Insulaner usw.) ist wesentlich größer als die durchschnittliche
Verschiedenheit zwischen den einzelnen Gruppen. Diese messbare Verschiedenheit
zieht sich gleichmäßig durch alle Geschlechter, Rassen und
Klassen hindurch und ist größer als uns der bloße Augenschein
durch unterschiedliche Augenfarben oder Blutgruppen zeigt.
Allgemeine Zuordnungen wie etwa "Frauen sind mental stark, Männer
sind schwach" (oder umgekehrt) sind schlichte Vereinfachungen. Die (genetischen)
Unterschiede sind individuell nachweisbar, aber weniger zwischen den Gruppen
zu finden.
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