Der Pflug war bisher schneller und erfolgreicher als der Storch. Der Pflug
ist das Werkzeug des Bauern, der unsere Nahrung erzeugt. Der Storch gilt
seit jeher als das symbolhafte Fabelwesen der Ankunft kleiner Erdenbürger.
Am 12. Oktober wurde, so hat es ein Computer der UNO errechnet, in Sarajewo
einem bosnischen Ehepaar ein Sohn geboren, und dieser ist der sechsmilliardste
Erdenbürger. Die Weltbevölkerung hat sich in nicht einmal 40
Jahren von 3 auf 6 Milliarden Menschen verdoppelt. In der gleichen Zeit
ist die weltweite Nahrungsproduktion trotz gleichbleibender Anbauflächen
schneller gestiegen als der Bevölkerungszuwachs. Wenn also alle 3
Sekunden irgendwo ein Kind den Hungertod stirbt, dann ist nicht die mangelnde
Nahrungsproduktion daran schuld, sondern die geografisch ungleichmäßige
Verteilung.
Die Entwicklung ist langfristig besorgniserregend. In den Industrienationen
nimmt die Fruchtbarkeit der Menschen ab, aber die Bevölkerungszahlen
wachsen insgesamt und weltweit immer schneller. Momentan schwillt die
Weltbevölkerung alljährlich um 78 Millionen Menschen an. Das
sind knapp neuntausend Menschen pro Stunde, einmal die gesamte Bevölkerung
Vorarlbergs in eineinhalb Tagen. Die Nahrungsmittelproduktion lässt
sich künftig aber nicht weiter steigern. Die Behauptung, man könne
mit Hilfe der Gentechnik den Hunger in der Welt auf Dauer besiegen, ist
reines Wunschdenken aber kein gesichertes Wissen.
Die Folgen der Überbevölkerung sind jetzt schon absehbar. Mehr
Menschen brauchen mehr Nahrung und Wasser. Jetzt schon ist die Bodenzerstörung
durch Übernutzung besorgniserregend, und im Jahr 2050 werden voraussichtlich
4 Milliarden Menschen unter akutem Wassermangel leiden.
Die Lösung der Bevölkerungsproblematik ist vielschichtig, liegt
aber großteils bei den Frauen. Es ist sehr wichtig, dass den Frauen
überall auf der Welt der Zugang zu besserer Bildung erleichtert,
zumindest aber grundsätzlich ermöglicht wird. Leider wird dies
in vielen Ländern immer noch aus fadenscheinigen Gründen verhindert.
Bildung allein ist bereits ein Wert an sich, verhilft zu einem höheren
Selbstwertgefühl, motiviert zu engagierter Lebensweise und ermöglicht
eine ausgeprägtere Anteilnahme an politischen, kulturellen und wissenschaftlichen
Vorgängen. Und nicht zu vergessen: Besser gebildete Frauen bekommen
- auch in der Dritten Welt - weniger Kinder.
Die radikale Senkung des weltweiten Bevölkerungszuwachses wird eines
der Hauptprobleme des nächsten Jahrhunderts sein. Länder, die
den Frauen einen Zugang zu besserer Bildung verweigern um sie auf rein
biologische Funktionen zu reduzieren, gehören an einen internationalen
Pranger gestellt.
|
|