Welt der Naturwissenschaften
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27. Juli 2024


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DER TRAGISCHE SIEG DER VIBRIONEN

Es war einmal ein Bakterium namens Vibrio comma. Es lebte in einem Brunnen einer Stadt im nahen Osten. Temperatur und Nährstoffgehalt waren schlecht, sodaß Vibrio keinerlei Fortpflanzungsgelüste verspürte. Ein Tourist hatte Durst und nahm einen Schluck Brunnenwasser. Den Rat, Brunnenwasser vor dem Genuß abzukochen, hatte der Urlauber nicht beachtet.

Vibrio comma fühlte sich in der neuen Welt des Urlaubers wohl. Temperatur und Nährstoffgehalt waren nun passend, und Vibrio comma beschloß, sich zu vermehren. Also nahm der Herr eine Rippe aus seiner Seite und formte ein zweites Vibrio comma.

"Seid fruchtbar und mehret euch", sagte der Herr der Vibrionen, "und macht euch die Erde untertan!" Die Vibrionen folgten diesem Gebot. Alle zwanzig Minuten verdoppelten sie ihre Zahl. Das ist üblich bei Bakterien, wenn sie sich wohlfühlen, denn sie beherrschen das Kunststück des raschen Wachstums. Bis Mitternacht waren sie auf Fünftausend angewachsen. Um 6 Uhr morgen hatten sie die Zahl von einigen Millionen erreicht.

Das Immunsystem des Urlaubers schien etwas zu merken. Zunächst stürzten sich weiße Blutkörperchen auf die Vibrionen und fraßen viele von ihnen. Später kamen die Antikörper, die sich ebenfalls auf die Vibrionen stürzten. Sie verklebten diese und machten sie zum Futter für Freßzellen. Doch es nützte nichts, die Vermehrungskraft der Vibrionen siegte, und um acht Uhr morgens bevölkerten zwölf Milliarden Vibrionen ihre Welt. Ihre Fortpflanzungswut kannte keine Grenzen.

Am Nachmittag bot die Welt der Vibrionen - unser Urlaubsreisender - ein Bild des Jammers. Er hatte Bauchschmerzen und wand sich in Krämpfen. Die Vibrionen, inzwischen waren es unzählige Milliarden geworden, lebten nun dicht gedrängt. Die ersten warnenden Stimmen wurden laut. Der Generalsekretär Vibrio Primus meinte, man müsse die Fortpflanzungsrate senken. Man dürfe nicht glauben, daß die Welt unbegrenzt aufnahmefähig sei. Wieder ein anderer, Vibrio ökonomikus, sah eine Lösung des Problems im stetigen Wirtschaftswachstum. Und so diskutierte man nutzlos dahin.

Der Urlauber lag auf einem Bett in einem kleinen Krankenhaus. Ärzte verabreichten Infusionen und Antibiotica und verordneten Bettruhe. Nun merkten sogar die Banausen unter den Vibrionen, daß man die Ausbeutung übertrieben hatte. Sie beteten zum Herrn, er möge die Welt nicht untergehen lassen. Doch es war schon zu spät.

Der Tourist starb spät abends an Cholera. Mit ihm starben viele Milliarden Vibrionen. Die Gattung Vibrio comma hatte auf tragische Weise gesiegt. Sie hatte sich ihre Welt untertan gemacht.

Die Fruchtbarkeitskrise
Ostereier
6 Milliarden
nature

© 1998 Rudolf Öller, Bregenz


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Helden der Wissenschaft:
Max Planck
(1858-1947)
entdeckte den Quantensprung, das Allerkleinste, was die Natur an Energie zu bieten hat. In der Folge versuchte er mehrfach, seine eigene bahnbrechende Theorie zu widerlegen, was ihm nicht gelang.


Rudolf Oeller:

Typhon District

Thriller über eine Gruppe von Wissenschaftlern, die Gott gründlich ins Handwerk pfuscht und dabei zugrunde geht.
Europa Verlagsgruppe. ISBN 9791220149914

Alles beginnt mit einer harmlosen Untersuchung: Als Ben, ein Molekularbiologe, um Hilfe gebeten wird, weil die Schimpansenweibchen im Zoo keinen Nachwuchs bekommen, ahnt er noch nicht, dass seine Welt bald aus den Fugen geraten wird. Die Ursache der Zeugungsunfähigkeit ist nämlich eine Chromosomenmutation der Affendamen, und die bringt seinen Chef auf eine folgenreiche Idee. So entsteht das unter Verschluss gehaltene Projekt Typhon District, benannt nach einem Hybridmonster aus der Mythologie. Erst allmählich kommen bei Ben und seinem internationalen Team Zweifel auf. Doch da sind sie bereits tief in einem Strudel von Geld und Machtgier, Manipulation und Skrupellosigkeit gefangen. Nicht nur ihre eigenen Leben sind bedroht. Als sie das bemerken, ist es bereits zu spät.

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