Die Überschriften der wissenschaftlichen Ticker im Internet sind voll
von Meldungen über Erfolge der modernen Genetik. Allein in den letzten
Tagen erschienen die Schlagzeilen: „Brustkrebsgen löst auch
Pankreaskrebs aus“, „Genbanken als Garant für Biodiversität“,
„Seltene Krankheitsgene entdeckt“, „Mit Gen-Chips gegen
schwere Krankheiten“, „Ein Gen macht Menschen einzigartig“
usw.
Diese Erfolgsmeldungen haben den Zweck, private und öffentliche
Geldgeber bei Laune zu halten. Investoren wollen ihr eingesetztes Kapital
verzinst sehen, und diese Verzinsung kann nur durch vermarktbare Erfolge
garantiert werden. Seit weniger Wochen liegen dunkle Schatten über
der modernen Biologie, und diesmal geht es nicht allein um ethische Fragen.
Die dunklen Schatten treffen die Forschung an ihrer verwundbaren Stelle:
An den gehäuft auftretenden Misserfolgen.
Dolly, das erste geklonte Tier der Welt, ist tot. Das sechs Jahre alte
Schaf musste wegen einer Lungenentzündung eingeschläfert werden.
Schafe könnten bis zwölf Jahre alt werden, und Lungenentzündungen
sind typisch für alte Tiere. Nach dem Ende von Dolly hat sich allmählich
herumgesprochen, was Biologen schon lange ahnten: Klonen von Tieren funktioniert
nicht nach Wunsch. Geklonte Tiere altern rasant und entwickeln häufiger
Krankheiten als natürlich vermehrte Tiere. Der Mensch bildet hier
sicher keine Ausnahme. Die mit Entsetzen wahrgenommenen Berichte über
geklonte Menschen haben sich schon nach wenigen Tagen als Falschmeldungen
– besser: freche Lügen - entpuppt. Sollte es trotzdem eines
Tages gelingen, Menschen mittels Zellkerntransfer zu klonen, so erzeugte
man rasch alternde, kranke Geschöpfe.
Eine besonders schmerzliche und kaum beachtete Meldung kam erst vor wenigen
Tagen: Kinder, die an der seltenen Immunschwächekrankheit „X-SCID“
leiden, müssen unter einem sterilen Kunststoffzelt leben. Man nennt
sie auch „Bubble-Babys“. Einige von ihnen wurden mit gentherapeutischen
Methoden behandelt, worauf sich bei 2 behandelten Kindern Blutkrebs bildete.
Die eingeschleusten Gene hatten unerwartet ein Krebswachstum aktiviert.
In Deutschland wurden daraufhin alle ähnlichen Experimente gestoppt.
Andere Länder werden folgen.
Die moderne Biologie ist neben der Quantenphysik die zurzeit produktivste
Sparte der Grundlagenforschung. Kleinere und größere Erfolge
werden sich nach und nach einstellen, aber bei weitem nicht so schnell
und so radikal, wie man noch vor kurzem dachte. Viele medizinisch anwendbare
Erfolge der Genetik werden sich erst in Jahrzehnten zeigen, manches wird
für immer ein Wunschtraum bleiben. Vieles ist machbar, aber niemals
alles.
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