Es ist still geworden um die vergleichende Verhaltensforschung
in Österreich. Die Tierschützer, die kürzlich in der
Forschungsstelle in Grünau in Oberös-terreich kleinere chirurgische
Eingriffe an Graugänsen verhindern wollten, waren nur einigen
wenigen Medien eine Randbemerkung wert. Hie und da erfährt man,
dass Verhaltensforscher sich um das Verhalten von Hunden und Wildschweinen
kümmern. Auch der Waldrapp - das ist ein seit Jahrhunderten in
Europa ausgerotteter Ibis - ist den Verhaltensforschern ein Anliegen.
Nur noch wenige biologisch interessierte Zeitgenossen wissen, dass
es sich um eine Disziplin handelt, die unter anderen der österreichische
Biologe und Nobelpreisträger Konrad Lorenz begründet hat.
Die „Ethologen“ sind demnach liebe und harmlose Menschen,
die sich in einem idyllischen Seitental am Rande des Salzkammerguts
mit possierlichen Tierchen wie Rabe, Waldrapp und Graugans die Zeit
vertreiben.
Konrad Lorenz selbst trug zu dieser freundlichen Legende bei. Er
sagte von sich, dass er weniger ein Wissenschaftler als ein Seher
sei, der gelernt habe, tierisches Verhalten zu verstehen. Lorenz war
außerdem überzeugt, dass Menschen in der Schönheit
der Natur einen Lebenssinn finden können. Nicht selten provozierte
er: "Ein guter Biologielehrer kann mehr Seelen retten als so
mancher Theologe."
Die Ruhe um die Verhaltensforschung ist nur eine scheinbare, denn
diese Disziplin wurde in die wissenschaftliche Zoologie längst
integriert und hat in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung
erlebt. Der Grund, warum die Öffentlichkeit davon wenig mitbekommt,
liegt in der Geschwindigkeit, mit der sich die moderne Biologie weiter
entwickelt. Neurologie, Genetik und Elektronik haben neue und umfassende
Zugänge zu den Tierseelen eröffnet. Allein an der Konrad
Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal produzierten mehrere
Teams von Biologen im letzten Jahr 28 wissenschaftliche Publikationen
und hielten 26 Vorträge an internationalen Kongressen. Ziel der
Forschung sind die Selektionsmechanismen genetisch vorprogrammierter
Verhaltensweisen und damit tiefe Einblicke in die Evolution der Intelligenz.
Wir Menschen stehen den Tieren ja näher, als wir oft wahrhaben
wollen. Raben lügen, betrügen, stehlen und vertuschen ihre
Gaunereien, Schimpansen organisieren sich planvoll um Mitglieder des
Nachbarstammes zu ermorden und Graugänse leben in jahrzehntelangen
stabilen Lebenspartnerschaften. Das nicht mehr ferne Ziel, die Entschlüsselung
des menschlichen Geistes, wird von Zoologen und Neurologen konsequent
anvisiert, und Österreich zählt international zu den Taktgebern
in dieser Disziplin.
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