In den Naturwissenschaften ist es üblich, den Wert einer Theorie
an ihrer Relevanz zu messen und nicht an der Autorität, von der
die Theorie stammt. Einfach ausgedrückt: Eine Theorie muss mit
Tatsachen übereinstimmen, sonst ist sie wertlos. Es gibt aber auch
Leute, die fest an eine vermeintlich leistungsfähige Theorie glaubten
und diese – manchmal ein Leben lang – verteidigten, obwohl
es sich um ein Hirngespinst handelte. Das sollte man bedenken, wenn
das Argument vorgebracht wird, dies oder jenes habe ein Professor behauptet,
und ein Wissenschaftler könne nicht irren. In Wahrheit wurde in
den Wissenschaften - auch von bekannten Autoritäten - ziemlich
viel Nonsens verbreitet.
Der großartige Astronom Sir Friedrich Wilhelm Herschel glaubte
im 18. Jahrhundert daran, dass die Sonne eine heiße Atmosphäre
besitze, unter kühlen Wolken aber intelligente Wesen (die „Solarier“)
lebten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts versuchte der britische Mathematiker
und Priester William Frend die negativen Zahlen (Zahlen kleiner als
Null) zu verbieten. Er meinte, es handle sich um sinnlose Gebilde. Zahllose
Schüler und Finanzminister hätten es ihm gedankt, wenn er
erfolgreich gewesen wäre. Carl Ludwig Freiherr von Reichenbach,
ein deutscher Chemiker des 19. Jahrhunderts suchte nach einer Kraft,
die das ganze Universum durchdringt. Damit war er gewissermaßen
ein Vorläufer der Star Wars-Legende. Er nannte sein Mysterium „Od“.
Dummerweise konnten diese Od-Kraft angeblich nur auserwählte Menschen
spüren. Geister, die auf Friedhöfen herumspukten, erklärten
sich die Od-Leute als die von den Toten freigesetzte Od-Kraft. Der Vater
der Psychoanalyse, Sigmund Freud, hatte einen exzentrischen Freund,
dem er stark vertraute, den Arzt Wilhelm Fließ. Dieser glaubte
nicht nur an die Numerologie (eine Pseudowissenschaft) sondern auch
daran, dass die Nase einen Einfluss auf das Sexualleben habe. Außerdem
erfand er den Biorhythmus, eine nie bewiesene Behauptung. Fließ’
„nasale Anästhesie“ (Kokain) dürfte der Ursprung
seiner Phantasien gewesen sein.
An der Wende zum 20. Jahrhundert spotteten der Physiker Ernst Mach
und der große Chemiker Wilhelm Ostwald über die Atome, obwohl
deren Existenz nicht mehr bestritten werden konnte, und der weltberühmte
Physiker William Thomson (der spätere Lord Kelvin) war überzeugt,
dass die Radioaktivität nichts mit Atomen zu tun habe. Er gab sein
Vorurteil trotz vorliegender Beweise nie auf. Auch heute existieren
weltweit zahllose, meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit agierende
Gilden, die sich unermüdlich aber vergeblich der „Widerlegung“
längst bewiesener Erkenntnisse verschrieben haben. Quasi die Od-Meister
der Wissenschaft.