Wissenschaftliche Erkenntnisse bedürfen höchstens dann einer Diskussion und Interpretation, wenn es um die Anwendung geht. Das betrifft beispielsweise die pränatale Diagnostik, die Gentechnik und die Atombombe. Mit religiösem Glauben hat das alles nichts zu tun. Protonen sind genauso real wie Chromosomen und Gene.
Wir waren in unserem Labor gerade mit der Analyse zweier eben erst entdeckter Geschwisterarten und anderen Untersuchungen beschäftigt, als unser ägyptischer Freund, ich nenne ihn „Ali“, voll Freude mitteilte, dass einer unserer eingereichten Artikel im „Egyptian Journal of Genetics“ erschienen ist. Damals war es in Europa und in den USA üblich, die kleinen Pflänzchen moderner Naturwissenschaften in islamischen Ländern zu unterstützen. Die 1969 gegründete „Egyptian Society of Genetics“ (Ägyptische Gesellschaft für Genetik) war und ist eine Ausnahme, gewissermaßen eine kleine Oase in einer Wüste der fortschrittlichen Wissenschaft.
Der sechzehnjährige moslemische Schüler, mit dem ich mich vor Jahren unterhielt, war neugierig. Er fragte mich, ob ich die Sache mit den Atomkernen, Elektronen und der Abstammung der biologischen Arten glaube. Ich sagte ihm, dass das keine Sache des Glaubens ist, sondern gesichertes Wissen. Atome seien zwar eine knifflige Angelegenheit, vor allem aus der Sicht der Quantentheorie, aber ein religiöser Glaube ist dazu nicht nötig, weil Atome nachweislich existieren. Er meinte, dass er das alles bei obligaten Prüfungen in der Schule aufsagen werde, aber er glaube nicht daran, was die westlichen Wissenschaften da behaupteten. Im Übrigen, sagte er, „darf ich mit ihnen gar nicht reden“.
2011 wagte es ein türkischer Schüler in Ankara, seinen Biologielehrer nach der Evolutionstheorie zu fragen. Der Lehrer erklärte das Thema so gut es ging, worauf er von der Mutter des Schülers angezeigt wurde. Der Lehrer erhielt von der vorgesetzten Behörde einen strengen Verweis verbunden mit dem Hinweis, dass Themen, die nicht im Lehrplan stehen, auch nicht unterrichtet werden dürfen.
Es wird immer behauptet, dass die meisten Moslems friedlich seien und Perspektiven für ihr Leben suchen. Das ist plausibel. Der harte Kern des Problems im Islam ist aber die Macht fortschrittsfeindlicher Theologen, die das Denken der Menschen kontrollieren. Ideologisierung und Gedankenkontrolle waren immer schon der Grund allen Übels. Kunst, Wissenschaft und Bildung können sich nur in Freiheit entfalten. Der gelegentlich strapazierte Begriff „Bildungsstandard“ ist bereits ein Widerspruch in sich. Die Kirche hat die Inquisition unter Papst Paul VI unbemerkt entsorgt, dem Islam steht die Entmachtung der Gedankenpolizisten noch bevor.