Der Leviathan ist ein sagenhaftes Wesen. Es handelt sich um ein in
der Bibel (Psalmen 74 und 104) erwähntes Ungeheuer, von dem keiner
weiß, wie es ausgesehen hat. Der interessanteste Satz über
den Leviathan lautet „… der Leviathan, den du gebildet hast,
um mit ihm zu spielen.“ Diese Stelle darf man sich auf der Zunge
zergehen lassen: Der Allmächtige persönlich erschafft sich
ein Wesen, mit dem er spielt. Es handelt sich nicht um ein Hündchen,
einen kleinen Pandabären oder ein anderes putziges Tierchen –
nein das Haustier Gottes ist eine – laut Bibel - im Meer lebende
Bestie. Das Tierchen hat über Jahrhunderte die Phantasie von Künstlern
und Schriftstellern angeregt. Der Titel eines Buches über den Staat
von Thomas Hobbes (1651) heißt „Leviathan“, ebenso
das vierte Buch der „Satanischen Bibel“ von Szandor LeVey,
ein Musikstück von Franco Cesarini, mehrere Metal- und Punk-Bands
benennen sich danach, weiters ein Horrorfilm von 1989, diverse Computerspiele,
und unzählige Romane, Erzählungen, Theaterstücke, ja
sogar Schiffe.
Ein weiteres Ungetüm der jüdisch-christlichen Mythologie
ist der Behemoth, von dem besonders eifrige Bibeldeuter behaupten, dass
es sich um einen Dinosaurier handeln könnte. Ob Gott auch mit ihm
gespielt hat, ist nicht überliefert. Es heißt da im Buch
Hiob (40) über den Behemoth: „Seine Knochen sind Röhren
von Erz, wie Eisenstangen sein Gebein, es war der Anfang der Wege Gottes,
er gab ihm sein Schwert.“
Ein Meeresungetüm zum Spielen und ein mit einem Schwert ausgestattetes
stahlhartes Ungeheuer. Das Alte Testament mit seinen rätselhaften
Andeutungen, Drohungen, Abgründen und Weissagungen ist und bleibt
die göttlichste Mysterienfundgrube der Welt.
Sollte sich wirklich jemand die Mühe machen, den beiden ungemütlichen
Tieren so etwas wie eine reale Bedeutung beizumessen, so bietet sich
das Bild vom Menschen an, der sich mit Hilfe der Mathematik, der Technik
und der Naturwissenschaften dazu aufgerafft hat, die Natur neu zu gestalten.
Es geht um den Sieg über die Krankheiten, den Sieg über den
Hunger und ein umfassendes Wissen über das, was die Welt im Innersten
zusammenhält. Menschen umkreisen in eineinhalb Stunden die Erde,
setzen unvorstellbare Mengen an Energie um, und die Lebenserwartung
hat sich innerhalb eines Jahrhunderts fast verdoppelt. Wir könnten
einigermaßen zufrieden sein, wenn da nicht die Atombombe, die
Bevölkerungsexplosion und stark zunehmende Zivilisationserkrankungen
wie Übergewicht, Diabetes und Depressionen wären. Wir können
und wollen die modernen Wissenschaften nicht abschaffen, aber wir brauchen
von Jahr zu Jahr immer mehr Wissenschaftler, die unsere selbst geschaffenen
Ungeheuer samt ihrer Waffen im Zaum halten.