Der Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman hat 1974 anlässlich
einer Festrede vor einem Abschlussjahrgang der Elite-Universität
California Institute of Technology („Caltech“) einen interessanten
Ausdruck verwendet. Feynman sprach von „Cargo Cult Science“.
Das Wort kann nicht unmittelbar übersetzt werden, im Deutschen
spricht man von Kargo-Kult-Wissenschaft. Der Ausdruck „Cargocult“
bezeichnet eine (natur-)religiöse Richtung, die das nahe Ende der
gegenwärtigen Welt zu erkennen glaubt. Cargo Cult Science ist nach
Feynman eine Form von Wissenschaft, die im Gegensatz zu den vielen Pseudowissenschaften
(Astrologie, Wünschelruten, Kreationismus u.a.) die formalen Kriterien
einer wissenschaftlichen Vorgehensweise erfüllt, der es aber an
Integrität und Geschlossenheit mangelt. Cargo Cult Science kann
auch als Inbegriff der Selbsttäuschung gesehen werden.
Feynman beschreibt ein Beispiel für Cargo Cult Science. Auf den
pazifischen Samoainseln bewunderten die Einheimischen die Flugzeuge,
die während des 2. Weltkrieges gelandetet waren und faszinierende
Dinge gebracht hatten. Bald darauf entwickelte sich ein merkwürdiger
Ritus. Die Eingeborenen legten künstliche Landebahnen an, neben
denen sie Feuer entzündeten, um die Signallichter nachzuahmen.
In einer Holzhütte hockte ein Eingeborener mit hölzernen Kopfhörern,
aus denen Bambusstäbe ragten, die Antennen darstellen sollten.
Auch Radartürme aus Holz wurden gebaut und einige andere scheinbar
wichtige Geräte um so die Flugzeuge anzulocken, die ihnen mehr
schöne Dinge bringen sollten. Sie machen der Form nach scheinbar
alles richtig, aber es funktionierte nicht. Kein einziges Flugzeug landete.
Feynman wollte sich nicht über die Eingeborenen lustig machen.
Er verwendete das Beispiel nur um seinen Studenten klar zu machen, wie
schwer manchmal Cargo-Cult von konsistenten Wissenschaften zu unterscheiden
ist. Es ist so gut wie unmöglich, den Betreibern einer Cargo Cult
Science die Aussichtslosigkeit ihres Bestrebens zu erklären, denn
nichts ist so mächtig wie eine Selbsttäuschung.
Cargo Cult Science geht immer schief und bringt garantiert keinen Erfolg,
aber nicht jedes wissenschaftliche Projekt, das kein Ergebnis bringt,
ist Cargo Cult. Scheinerfolge können sogar mit echten Erfolgen
verwechselt werden. Wäre ein verirrtes Flugzeug zufällig auf
einer der Pisten der Eingeborenen gelandet, wäre dies für
eine Bestätigung der (in Wahrheit wirkungslosen) Maßnahmen
gehalten worden. Feynman ermahnte seine Studenten eisern, das eigene
Tun ständig zu hinterfragen und nie aufzuhören, nach den unzähligen
Fallen der Selbsttäuschung zu suchen.