Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts überraschte Ronald
Reagans Innenminister Adams die Öffentlichkeit mit einer neuen Sichtweise.
Adams behauptete, atomar bestückte Langstreckenraketen seien keine
Ausgeburt der Hölle, sondern Instrumente der Heilsgeschichte. Es
sei richtig, so Adams, dass nukleare Waffen alle Zivilisationen auslöschen
können, aber müssten wir nicht als gute Christen die Apokalypse
mit anderen Augen sehen? Uns sei schließlich verheißen, dass
die Apokalypse als Wiederkehr Christi unserem Einzug ins Reich Gottes
vorausgehe. Gute Christen fürchten die Apokalypse nicht, sondern
sie begrüßen sie freudig, damit das Heilsgeschehen vollendet
werden könne. Diese groteske Umwertung der tödlichsten Waffe,
die Menschen jemals gebaut haben, ist nicht bloß Ausdruck religiösen
Irrsinns eines US-Regierungsmitglieds. Die unheilvolle Verknüpfung
von Bigotterie, Wahrheitsanspruch, ideologischer Verirrung und politischem
Machtstreben hat sich längst zu einer ernsthaften globalen Bedrohung
entwickelt.
Bereits der Name der ersten Atombombe der Geschichte hat einen religiös-mythologischen
Hintergrund. Robert Oppenheimer hatte sein erstes nukleares Projekt "Trinity"
(Dreifaltigkeit) genannt. Dieser Code für den ersten Atombombentest
am 16. Juli 1945 in New Mexico war nicht willkürlich gewählt
worden. Oppenheimer war ein guter Sanskrit-Kenner. Er hat das Hindu-Konzept
der Dreieinigkeit von Brahma, Vishnu und Shiva gewählt, um die Einheit
von Schöpfung, Bewahrung und Zerstörung in seinem Projekt zu
betonen. Oppenheimer hätte genauso das christliche Konzept der Dreifaltigkeit
bemühen können. Die Dreifaltigkeit von Vater, Sohn und Heiligem
Geist war seit dem Mittelalter in der Einheit der drei Weltzeitalter gedacht
worden: der alttestamentarischen Zeit unerbittlicher Rache („Auge
um Auge“), dem neutestamentarischen Zeitalter der Hoffnung auf Gnade
und dem kommenden Zeitalter des Geistes.
“Es gibt die christliche Bombe (NATO), es gibt die atheistische
Bombe (Sowjetunion, China - neuerdings auch Nordkorea), es gibt die jüdische
Bombe (Israel) und es gibt die hinduistische Bombe (Indien). Wir bauen
die moslemische Bombe, und wenn wir deshalb Gras fressen müssen.”
Dies sagte - sinngemäß - bereits vor dreißig Jahren der
ehemalige pakistanische Ministerpräsident Zulfikar Ali Khan Bhutto
(1928-1979), als es um die Frage ging, warum Pakistan den Bau einer Atombombe
anstrebe. Ali Bhuttos Wunsch ist in Erfüllung gegangen, Pakistan
besitzt heute die moslemische Bombe, der Iran will folgen.
Morbide Untergangsfantasien, religiöser Wahn und ideologische Verblendung
waren immer schon der Vortrupp des Sensenmannes.
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