Die Nobelpreise 2001 sind vergeben. In einigen Fachzeitschriften und auf
den Wissenschaftsseiten der Medien wird man auf die Entdeckungen der Preisträger
eingehen und eventuell die Hintergründe ausleuchten. Die Frage, warum
die USA seit Jahrzehnten die Preisträgernation Nummer eins ist, wird
selten gestellt. Die Antwort kennt man ja: Die Amerikaner geben viel Geld
für die Forschung aus. Die Geldmenge im Forschungsbereich ist jedoch
nur die halbe Wahrheit. Ein wichtiger Grund für die wissenschaftlichen
Erfolge eines Landes ist die offene Gesellschaft, die der Kreativität
ihrer Forscher weitgehend freie Hand lässt.
Sir Karl Popper veröffentlichte 1944 sein Werk "The Open Society
and Its Enemies" ("Die offene Gesellschaft und ihre Feinde").
Den Anstoß für das Buch lieferte die Einverleibung Österreichs
durch Hitler-Deutschland. Im Vorwort zur ersten englischen Ausgabe schreibt
Popper: "Mein Beweggrund [für das Buch] ist in der Überzeugung
zu suchen, dass wir, wenn unsere Kultur weiter bestehen soll, mit der
Gewohnheit brechen müssen, großen Männern gegenüber
unsere geistige Unabhängigkeit aufzugeben." Poppers berühmtes
Buch ist sachlich begründet und stellt einen Frontalangriff gegen
jede Art von Führertum und Bevormundung dar.
In der Tat wurde den Versuchen, Freiheit in Wort, Schrift, Kunst und
Wissenschaft zum Durchbruch zu verhelfen, regelmäßig massiver
Widerstand entgegengesetzt. Dies begann nicht erst mit der nationalsozialistischen
oder kommunistischen Ideologie. Geistige Unterdrückung ist so alt
wie Sprache und Schrift. Dies ging so weit, dass sogar das Lesen der Bibel
durch das gewöhnliche Volk lange Zeit verboten war. Wer lesen konnte,
bildete eine unterschwellige Gefahr für die Machthaber.
Der Krieg zwischen den Islamisten und der westlichen Welt ist kein Krieg
zwischen Islam und Christentum. Es ist erst recht kein "Clash of
civilizations" (Kollision der Kulturen), wie manchmal irrtümlich
behauptet wird. Es handelt sich um den alten Konflikt zwischen der offenen
Gesellschaft und einer geschlossenen dogmatischen, wie sie die Taliban
propagieren. Der Mensch der offenen Gesellschaft ist stolz auf sein Land,
aber er blickt nicht auf andere Länder hinunter. Er ist religiös,
agnostisch oder atheistisch, aber er akzeptiert Religionsfreiheit und
-vielfalt. Er hat einen festen Standpunkt, aber er lässt auch andere
Meinungen gelten. Nur die freie offene Gesellschaft garantiert auf Dauer
Frieden. Der Versuch, Menschen "auf Linie zu bringen" war stets
der Pfad zur geistigen Finsternis, dann in die materielle Armut und schließlich
in den moralischen Niedergang.
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