Jahresrückblicke bescheren uns regelmäßig Berichte
über politische Änderungen, Naturkatastrophen, sportliche
Sensationen und die unvermeidlichen Bulletins für Konsumenten von
intellektuellem Fast food: Die Geschichten der Reichen und vermeintlich
Schönen. Berichte über neue wissenschaftliche Erkenntnisse
fehlten, obwohl sich 2006 viel getan hat.
Das Jahr 2006 kann als das Jahr ausgestorbener und aussterbender Arten
in die Geschichte eingehen. Lange Erkundungsfahrten erbrachten beispielsweise
keine neuen Hinweise, dass der Flussdelfin Baiji noch existiert. Das
Verschwinden dieser Tierart wäre der erste nachgewiesene Untergang
einer Walart. Die längste Verlustliste betrifft wahrscheinlich
die Vögel. Zoologen rechnen mit insgesamt über 500 verschwundenen
Vogelarten seit Ende des Mittelalters, wobei sich die Aussterberate
in den letzten Jahren beschleunigt hat. Ganz besonders schlecht geht
es den Fröschen und Kröten.
Ein kleiner Pilz namens Batrachochytrium bedroht alle Amphibien der
Welt. Die global steigenden Temperaturen fördern seine Ausbreitung,
wodurch weltweit bereits ganze Froschpopulationen verschwunden sind.
Makaber erscheint die Bedrohung des Käfers Anophtalmus hitleri.
Der „Hitlerkäfer“ ist ein blindes, in slowenischen
Karsthöhlen lebendes, seltenes braunes Insekt. Den Namen erhielt
der Käfer 1933 von einem deutschen Käfersammler. Dem unschuldigen
Insekt droht die Ausrottung, weil er wegen seines ungewöhnlichen
Namens bei Sammlern stark gefragt ist.
Aussterbende Frösche und Insekten kümmern nur wenige Zeitgenossen.
Schließlich handelt es sich nicht um Kuscheltiere. Bei den Menschenaffen,
immerhin unsere nächsten Verwandten, regt sich zumindest das schlechte
Gewissen. Das sollte es auch, denn um den Fortbestand unserer tierischen
Verwandten ist es durch Wilderei und Vernichtung der Lebensräume
schlecht bestellt.
Sensationelle Entdeckungen gab es 2006 bei den längst ausgestorbenen
Arten. In Südamerika wurden die Reste eines der größten
räuberischen Saurier, Mapusaurus, ausgegraben. Der Fleischfresser
war größer als Tyrannosaurus rex. Der großartigste
Fund des Jahres war aber Tiktaalik roseae, eine Übergangsform zwischen
Fischen und Lurchen. Das in der kanadischen Arktis entdeckte Fossil
zeigt bereits das typische Skelett eines Landlebewesens, wie einen ausgeprägten
Hals und einen stabilen Brustkorb. Tiktaalik besaß aber noch Flossen,
die seine unmittelbare Abstammung von den Fischen zeigen. Bleibt die
weltweite Gleichgültigkeit gegenüber der belebten Natur bestehen,
teilen bald viele noch lebende Arten das Schicksal ihrer verschwundenen
Vorfahren.