Das fossile Skelett wurde 1974 gefunden und erhielt die Bezeichnung
„Afar Locality (A.L.) 288-1“ und vier Jahre später
die Artbezeichnung „Australopithecus afarensis“. Der Fund
war derart sensationell, dass das erfolgreiche Team des Anthropologen
Donald Johanson in der afrikanischen Wildnis eine Party feierte, auf
der die Platte der Beatles, „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club
Band“, gespielt wurde. Ein Lied, “Lucy in the Sky with Diamonds”
gab schließlich dem Skelett den Namen: „Lucy“. Dass
das Lied wegen seines absonderlichen Textes und seines Titels (man beachte
die Anfangsbuchstaben der Hauptwörter) heute noch als Drogenhymne
gilt, spielte damals keine Rolle.
Lucy ist ein Star unter den Fossilien, weil das Skelett den Beweis
erbrachte, dass unsere frühen Vorfahren, die noch keine Menschen
im heutigen Sinne waren, bereits aufrecht gingen. Die griechische Artbezeichnung
„Australopithecus“ („Südaffe“) ist etwas
unglücklich gewählt, denn Lucy war kein Affe mehr. Der Schädel
ist zwar noch affenähnlich, aber Beckenknochen, Oberschenkel und
Kiefer sind bereits weit entfernt von jeder Affenanatomie. Der Name
Lucy ist aber insofern passend, als er sich vom lateinischen „lux“
(Licht) ableitet. Lucy, die vor rund 3,5 Millionen Jahren in Äthiopien
lebte, brachte Licht in die Geschichte unserer Vorfahren. Einige Details
an ihr sind noch mehrdeutig, wie etwa die langen Arme, die manche Paläontologen
als Kletterwerkzeuge, andere als nicht mehr benötigten Rest der
Evolution sehen.
Im Laufe der Jahre entdeckte man weitere Knochenreste der Art Australopithecus
afarensis. Man könnte sie als Familienmitglieder von Lucy bezeichnen:
Ein jugendlicher Schädel (A.L. 333), ein relativ vollständiger
Schädel eines Erwachsenen (A.L. 444-2), ein Kniegelenk (A.L. 129),
das abermals den aufrechten Gang unserer frühen Vorfahren bewies
und noch viele andere Funde.
Kürzlich aber gelang ein außergewöhnlicher Fund, der
die Biologen in Aufregung versetzte: Das kleine Mädchen von Dikika,
genannt auch „Lucys Baby“. Der Fundort erwies sich als Glücksfall
für die Wissenschaft: Ruhig ergoss sich vor rund 3,3 Millionen
Jahren ein Fluss in einen prähistorischen afrikanischen See, wobei
der kleine Körper unversehrt im Sediment eingebettet worden war.
Das Skelett lässt den Schluss zu, dass unsere Australopithecus-Vorfahren
sowohl den aufrechten Gang als auch das Klettern (noch) gut beherrschten.
Im Max Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie ist
man überzeugt, eine weitere Übergangsform in der Familie der
Hominiden (Menschen und deren Vorfahren) gefunden zu haben. Das Bild
unserer Vergangenheit ist um einen bedeutenden Mosaikstein erweitert
worden.