Die Weltöffentlichkeit geriet in Erregung, als das britische Parlament
die Freigabe embryonaler Stammzellen für Forschungszwecke beschlossen
hatte. Wieder einmal wurde die Geschwindigkeit beklagt, mit der Biologen
und Politiker die Welt vor vollendete Tatsachen gestellt hatten. In Wahrheit
hat sich die Entwicklung längst angekündigt.
In einem Bericht des österreichischen Bundesministers für Wissenschaft
und Forschung an den Nationalrat (August 1986) heißt es in einer
Empfehlung für eine künftige Gesetzgebung: "Solcherart überzählige
Embryonen sind nach Maßgabe der folgenden Regeln ... für Forschungszwecke
zu verwenden". Es wurden einige einschränkende Punkte aufgezählt,
aber der Wunsch, menschliche Embryonen für die Forschung zu verwenden,
war deutlich ausgesprochen worden. In einer deutschen Empfehlung aus dem
Jahr 1984 werden Experimente mit Embryonen nur dann abgelehnt, wenn "sie
nicht ... dem Wohl des Kindes dienen". Auch die Kirche lehnt Experimente
mit Embryonen nicht grundsätzlich ab. In einem Dokument von 1987
("Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen
Leben und die Würde der Fortpflanzung") heißt es unter
anderem: "Ein rein therapeutischer Eingriff [in den Embryo], dessen
Zweck die Heilung verschiedener Krankheiten ist ..., kann grundsätzlich
als wünschenswert betrachtet werden, vorausgesetzt dass er auf eine
wahre Förderung des persönlichen Wohles des Individuums zielt,
ohne seine Integrität zu verletzen ...". Wenn Vertreter der
Kirche heute die neue Entwicklung beklagen, so vergessen sie offenbar,
dass die Kirche vor 13 Jahren ein leises und vorsichtiges "... unter Umständen
..." aber kein wirklich eindeutiges "nein" zur Forschung an menschlichen
Embryonen ausgesprochen hat.
In den Wissenschaften pflegen sich große Ereignisse anzukündigen.
Als Albert Einstein seine Relativitätstheorie veröffentlichte,
waren längst Vorarbeiten durch den Nobelpreisträger Hendrik
Antoon Lorentz gemacht worden. Der im Jahr 1900 entstandenen Quantenphysik
hatten Größen wie Ludwig Boltzmann, Wilhelm Conrad Röntgen
oder Marie Curie den Weg bereitet, und als fast gleichzeitig die moderne
Genetik die Bühne der Wissenschaft betrat, waren die bahnbrechenden
Erkenntnisse des Benediktiners Gregor Mendel bereits 35 Jahre alt. Auch
die Atombombe war 1945 nicht urplötzlich entstanden. Die grundlegende
Formel E=mc2 war damals seit 40 Jahren bekannt, und die erste
Atomkernspaltung lag bereits 7 Jahre zurück.
Die Veränderungen des eben begonnen 21. Jahrhunderts kündigen
sich schon an, denn große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus.
In den Naturwissenschaften sind es lange Schatten.
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