„Wo ist die Zeit geblieben?“ fragen sich viele, die an der Jahreswende
betrübt erkennen, dass sich die guten Vorsätze vom letzten Jahreswechsel
wieder einmal in Rauch aufgelöst haben.
Die Zeit ist eines der rätselhaftesten und unheimlichsten Phänomene
des Lebens. Aus welchem Stoff ist sie gemacht, wann hat sie begonnen,
wann endet sie? Wissenschafter und Philosophen haben immer wieder versucht,
die Zeit dem Verstand unterzuordnen. In der Physik ist es mit der Relativitätstheorie
gelungen, eine befriedigende mathematische Definition für die Zeit
zu finden. Dafür musste aber ein hoher Preis bezahlt werden. Die
Zeit kann mit Hilfe von Formeln exakt definiert werden. Was die Zeit aber
wirklich ist, verstehen wir seit Einstein so gut wie gar nicht mehr, obwohl
uns Schlagworte wie Zeiteinteilung, Zeitmangel, Zeitdruck, Zeitersparnis
und Arbeitszeitverkürzung tagtäglich begleiten.
Die Frage, warum Zeitreisen nicht möglich sind, kann beantwortet
werden. Ein Abstecher in die Vergangenheit ermöglichte es, einen
der Vorfahren zu töten, was dazu führte, dass die Reise, die
eben stattgefunden hat, niemals stattfinden kann. Auch eine Reise in die
Zukunft verursachte ein Problem. Ein Zukunftsreisender könnte mit
einem exklusiven Wissen über Fussballspiele, Pferderennen, Lottozahlen
und Aktienkurse zurückkommen und kurzerhand so viel Geld scheffeln,
dass Glückspielunternehmungen, Konzerne und Börsen sofort zusammenkrachten.
Laut Relativitätstheorie verändert sich der Zeitlauf bei hohen
Geschwindigkeiten. Diese Theorie Einsteins lässt sich mit Hilfe der
Hochenergiephysik experimentell beweisen. Schickt man instabile Teilchen
in einem Beschleuniger auf eine Hochgeschwindigkeitsreise, so verändert
sich die Halbwertszeit der Teilchen genauso, wie es die Relativitätstheorie
voraussagt: Die Zeit des bewegten Teilchens vergeht anders als die des
ruhenden Beobachters. Noch geheimnisvoller wird es, wenn man sich einen
Büromenschen auf einem Neutronenstern vorstellt, was auf Grund der
extrem hohen Schwerkraft nur theoretisch möglich ist. Der Büromensch
fährt mit dem Lift in den 10. Stock seiner Neutronensternfirma und
verlässt nach 8 Stunden das Gebäude. Für den Portier im
Erdgeschoß sind inzwischen nur 2 Stunden vergangen, aber das liegt
nicht an dessen billiger Uhr. Die relativistische Krümmung der Raumzeit
bewirkte, dass beide Männer unterschiedliche Zeiten erlebten.
Thomas Mann schrieb in seinem imposanten Werk „Der Zauberberg“:
"Was ist die Zeit? Ein Geheimnis - wesenlos und allmächtig.“
Für alle, die unter Zeitdruck leiden, ist es etwas Schlichtes: Ein
Geschenk, das man sich und seinen Lieben gelegentlich bereiten sollte.
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