Warum kann man zwar Bakterien oder rote Blutkörperchen im Mikroskop
sehen, nicht aber Atome? Diese Frage ist nur zu beantworten, wenn man
die Wellennatur des Lichtes berücksichtigt. Man kann mit Hilfe von
Wellen Bilder erzeugen. Licht hat genauso eine Wellennatur wie Röntgen-
oder Elektronenstrahlen. Nun gilt die Regel, dass man Objekte nur dann
scharf abbilden ("auflösen") kann, wenn die Wellenlänge des
verwendeten Lichtes kleiner als der beobachtete Gegenstand ist. Die Wellenlänge
des sichtbaren Lichtes liegt etwas unter einem Millionstel Meter. Bakterien
sind größer, Viren sind kleiner als dieser Wert, daher kann
man Bakterien im Lichtmikroskop sehen, Viren hingegen nicht.
Will man kleinere Objekte sehen, muss man die Wellenlänge der verwendeten
Strahlung verkleinern, doch dies muss man mit hoher Energie erkaufen.
Das absurd klingende Naturgesetz lautet: Je kleiner die Wellenlänge,
desto höher die damit verbundene Energie. Die Wellenlänge von
UV-Strahlen ist kleiner als diejenige des sichtbaren Lichtes. Ihre Energie
reicht daher aus, in die Haut einzudringen um einen Sonnenbrand hervorzurufen.
Elektronenmikroskope erzeugen kurzwellige Elektronenstrahlen, ihre kleine
Wellenlänge reicht aus, um winzige Objekte wie Viren abzubilden.
Für Atome reicht das aber nicht mehr.
Das Eindringen in die innersten Bereiche der Atome erfordert "Mikroskope",
die diese Bezeichnung kaum noch verdienen, denn man benötigt riesige
Maschinen - so genannte Teilchenbeschleuniger. Die dazugehörige Wissenschaft
ist die Hochenergiephysik. Man benützt in diesem Wissensbereich das
"Elektronenvolt" als Energieeinheit. Lichtteilchen ("Photonen") haben
etwa ein bis vier Elektronenvolt, Röntgenquanten haben bereits einige
Tausend Elektronenvolt. Teilchenbeschleuniger heutiger Bauart erzeugen
Energien, bei denen Teilchen mit einer Energie von über hundert Milliarden
Elektronenvolt aufeinanderprallen.
Der Wettlauf um den Bau von Beschleunigermaschinen begann in den Zwanziger
Jahren in den USA und wurde von den Energieversorgungsfirmen unterstützt,
weil zu dieser Zeit versucht wurde, die Hochspannungstechnik zu entwickeln.
Die leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger stehen heute in den
USA und in Europa. Ein Teilchenbeschleuniger besteht im wesentlichen aus
luftleer gepumpten Röhren, die meist kreisförmig verlaufen.
Der derzeit größte Beschleuniger ist der "LEP-Ring" in Genf
mit einem Umfang von 23 km. Die großen Radien sind notwendig, damit
die schnellen Teilchen nicht zuviel Strahlungsenergie in engen Kurven
verlieren.
Die Hochenergiephysik ist die Mikroskopie der Materie. Die entwickelten
Maschinen werden immer besser, die Ergebnisse der Teilchenphysik sind
entsprechend aufregend.
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