Im 1. Brief des Apostel Paulus an die Thessalonicher findet man unter
5,19 den Satz „Spiritum nolite extinguere!“ („Löscht
den Geist nicht aus!“), und kurz darauf heißt es: „Omnia
autem probate quod bonum est tenete!“ („Prüft alles
und behaltet das Gute!“).
Diese Sätze sollte man sich in Erinnerung rufen, wenn wieder einmal
der Eindruck vermittelt wird, es müsse alles neu gemacht werden.
Der technische Fortschritt mit seinem Nahrungsüberangebot und seinen
Mobilitäts- und Informationsmöglichkeiten hat unsere Gesellschaft
verändert. Wir sind satter und mobiler geworden und kommen schneller
an Informationen heran, wir wissen aber nicht mehr so recht, was wir
mit all den grotesken Überschüssen anfangen sollen. Übergewicht,
Komasaufen, überflüssiges Kilometerfressen am Wochenende und
ein Überangebot an Informationsschrott im Internet haben unsere
Gesellschaft weder besser noch freier gemacht.
Ein Fortschritt kann auch darin liegen, eine Sackgasse als solche zu
erkennen und umzukehren. Erste Anzeichen einer Neuorientierung sind
erkennbar. In den USA, immerhin dem Weltzentrum des Computers, mehren
sich die Zweifel am Einsatz der Hochtechnologie im Unterricht. Der akademische
Geist bekommt wieder Vorrang. Die Liverpool High School im US-Bundesstaat
New York galt jahrelang als Vorzeigeschule für den Einsatz technischer
Medien. Aus aller Welt waren Bildungsexperten angereist um diese Schule
zu besuchen. Nun ist eine Ernüchterung, um nicht zu sagen Verkaterung,
eingetreten. "Wir haben die Klassenzimmer mit Technik geflutet
und denken jetzt erst darüber nach, was sinnvoll ist", beklagte
Schuldirektor Tony Davis. Die so genannten Laptopklassen werden ersatzlos
abgeschafft. Die Erfahrungen europäischer Lehrer sind vergleichbar.
Wenn Schüler vor einem PC mit Internetzugang sitzen, tauchen nicht
wenige suchtartig in ein virtuelles Paralleluniversum ab.
Eine Studie des US-Bildungsministeriums beweist, dass es für die
Leistung der Schüler keinen Unterschied macht, ob im Unterricht
neue Medien eingesetzt werden oder nicht. Vom Traum der Neunzigerjahre,
wonach ein Schüler mit einem PC samt Internetanschluss besonders
erfolgreich sein würde, ist nichts übrig geblieben. Die Unsummen,
die man auch in Österreich in „blended learning“ investiert
hat, haben keinen Mehrwert erbracht.
„Löscht den Geist nicht aus!“. Technik an sich ist
nichts Schlechtes, aber ohne geistvollen Einsatz ist sie sinnlos. Das
Neue ist nicht automatisch besser, nur weil es - zeitgeistlich - als
besser bezeichnet wird. Alles ist letztendlich einer Selektion unterworfen.
Das Wesentliche hält ewig: Die Naturgesetze sind beim Urknall entstanden.
Sie wurden und werden niemals ausgewechselt.