Ideologien erkennt man daran, dass sie irgendwann die Relevanz verlieren
und ihre Vertreter wie der Kaiser im Märchen nackt dastehen und
dabei ziemlich dümmlich wirken. In der Wissenschaft verlieren im
Gegensatz dazu Lehrsätze nicht ihre Gültigkeit. Das Ohmsche
Gesetz und die Mendelschen Erbgesetze werden auch in Jahrhunderten noch
gelehrt.
Als der Golfkrieg von 1991 am Höhepunkt war, engagierte sich die
internationale Friedensbewegung massiv gegen die USA. Dagegen war aus
demokratischer Sicht nichts einzuwenden, aber als der Golfkrieg zu Ende
ging und Serbiens roter Faschist Slobodan Milosevic seine abtrünnigen
Nachbarn mit einem blutigen Krieg überzog, herrschte Schweigen.
Der Friedensaktivist Robert Jungk meinte: „Hier handelt es sich
nur um einen nationalen Konflikt … Ich schreibe übrigens
gerade meine Memoiren, und wenn ich fertig bin, werde ich mich um die
Sache kümmern.“ Freda Meissner-Blau sagte händeringend:
„Die Zeit der Demonstrationen ist eben vorbei. … Es ist
eine völlig verwirrte Situation entstanden“. Allein Andre
Heller war ehrlich: „Es ist gar keine Frage, dass die Friedensbewegung
am Desinteresse ihrer Propagandisten verendet ist“. Und was lehrt
diese Geschichte? Wer glaubt, ein Moralmonopol zu besitzen, um mit selektiver
Betroffenheit Politik betreiben zu können, macht sich irgendwann
lächerlich.
Es gibt viele Beispiele für des Kaisers ideologische Kleider,
das letzte betrifft die Schülerstudie PISA. Als für Österreich
nach den Ergebnissen von PISA 2003 schlechtere Resultate errechnet wurden,
begann ein Trommelfeuer gegen die Schulpolitik. Da quoll unser Land
nur so über von unfähigen Pädagogen und kreuzdummen Schülern.
Wie gebannt starrten Bildungsexperten nach Skandinavien und forderten
das Paradies auf Erden, die Gesamtschule. Als dann bekannt wurde, dass
man zuvor PISA 2000 falsch berechnet hatte, und es keinen Absturz der
österreichischen Schulen gegeben hatte, verkündeten die „Experten“
und ihre publizistischen Flakhelfer, dass unsere Schulen eben immer
schon mittelmäßig gewesen seien.
Wie ein Racheengel folgte auf dieses Geschwätz eine differenzierte
Auswertung. Mit Hilfe australischer PISA-Experten wurde nachgewiesen,
dass die Resultate von Wien das österreichische Ergebnis gedrückt
hatten. Österreich erreichte zuletzt in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften
Ränge zwischen 12 und 16. Linz, Graz, Salzburg und Innsbruck hätten
- allein gezählt - die großartigen Ränge 2 bis 4 (!)
erreicht. Nicht Österreich sondern Wien war als Niete enttarnt.
Man könne das alles nicht vergleichen, wurde danach gleichermaßen
kleinlaut wie herzzerreißend verkündet, worauf es demutsvoll
still wurde um des Kaisers neue pädagogische Kleider.