Die Macht der modernen Genetik und Molekularbiologie zeigt sich an
den diesjährigen Medizin- und Chemie-Nobelpreisen. Bei beiden Preisen
spielt das Molekül Ribonukleinsäure (RNA) die entscheidende
Rolle. Dieses lange Zeit unterschätzte Molekül hat sich im
Laufe der letzten Jahre als großer Zampano in der Molekularbiologie
entpuppt.
Roger Kronberg (* 1947) ist Sohn des Medizin-Nobelpreisträgers
Arthur Kronberg. Dieser hatte den Preis 1959 für das erste künstlich
synthetisierte DNA-Molekül bekommen. Es ist übrigens das siebte
Mal, dass der Sohn oder die Tochter eines Nobelpreisträgers ebenfalls
einen Preis erhielt. Der bisher prominenteste Fall betrifft Mutter Marie
Curie und Tochter Irene Joliot-Curie.
Die Geschichte der modernen Genetik begann im 19. Jahrhundert mit dem
österreichischen Mönch Gregor Mendel, setzt sich fort mit
dem Schweizer Arzt Friedrich Miescher, der 1886 in Tübingen aus
weißen Blutkörperchen eine Substanz isolierte, die sich später
als die Kernsäure DNA herausstellen sollte. Als Oswald Avery 1944
nachwies, dass die DNA der Träger der Erbmerkmale ist, war es bis
zum ersten großen Durchbruch nicht mehr weit. 1953 entschlüsselten
der Amerikaner James Watson und der Brite Francis Crick das DNA-Molekül,
wofür sie 1962 den Medizin-Nobelpreis erhielten.
Es war allen Biologen und Biochemikern bewusst, dass man das Zentrum
des Lebens erreicht hatte. Rasch war auch klar geworden, dass der Code
der DNA etwas mit den Proteinen in der Zelle zu tun hat. Ein ganz bestimmter
genetischer Code bewirkte den Einbau einer ganz bestimmten Aminosäure
in ein Protein. Die Frage war nur, welcher Mechanismus hier zugrunde
liegt: Wie wird aus einer genetischen Information (die biologische Software)
ein Protein (die biologische Hardware). Die Biochemiker kennen heute
die Antwort. Es gibt ein Molekül namens Boten-RNA, auch „messenger-RNA“
oder kurz „m-RNA“ genannt. Es handelt sich dabei um eine
Negativ-Kopie der DNA. Diesen Vorgang nennt man heute „Transkription“
und er findet im Zellkern statt. Die m-RNA wandert vom Zellkern hinaus
und dient als Vorlage zum Zusammenbau der Proteine, ein Vorgang, den
man „Translation“ nennt.
Damit dies alles funktioniert, bedarf es einer bestimmten räumlichen
Geometrie aller beteiligten Moleküle. Man kann ihre Funktion nur
verstehen, wenn man ihre Gestalt im Detail sehen kann, und genau das
hat Roger Kornberg ermöglicht. Er ist ein Meister der Röntgenstrukturanalyse,
einer Fähigkeit, zu der nicht nur großes Fachwissen sondern
eine enorme Geduld nötig ist. Kronbergs Molekülbilder waren
in den letzten Jahren mehrmals auf Titelblättern internationaler
Fachzeitschriften zu sehen.