Die Physiker können heute definieren, was Energie ist. Wir wissen
auch, worin das Wesen der Wärme liegt, aber der Weg zur Erkenntnis,
dass Wärme etwas mit Energie zu tun hat, dauerte lange und war
steinig. „Wenn man einen Becher Wasser ins Meer schüttet,
kann man die gleiche Menge Wassers nicht mehr herausbekommen“
sagte einst einer der größten Physiker des 19. Jahrhunderts,
James Clerk Maxwell. Was wie eine geradezu lächerliche Binsenweisheit
klingt, hat mit der Frage, was Energie ist, viel zu tun, war aber für
die Physiker des 19. Jahrhunderts ein großes Problem: Kraft, Arbeit
und Wärme waren bekannte Begriffe, und die Physiker wussten, dass
eins mit dem anderen zusammenhängt. Die intensiv gesuchten Hintergründe
lagen jedoch im Dunklen.
In dieser Situation trat ein genialer Physiker ins Rampenlicht, der
es schaffte, zwischen der klassischen Physik und der Atom- und Quantenphysik
eine erste tragfähige Brücke zu schlagen. Der Österreicher
Ludwig Boltzmann zählt zu den wenigen Physikern, die den Giganten
des 20. Jahrhunderts wie Albert Einstein, Niels Bohr, Werner Heisenberg
und anderen den Weg bereiteten.
Ludwig Boltzmann wurde am 20. Februar 1844 in Wien geboren. Schon früh
interessierte er sich für Biologie und Physik und zeigte eine handwerkliche
Begabung. 1866 promovierte er an der Universität Wien. Um 1870
arbeitete er an der Universität Berlin mit Größen wie
Robert Bunsen, Gustav Kirchhoff und Hermann von Helmholtz zusammen.
Später lehrte er an der Universität Wien und wurde Professor
für Experimentalphysik an der Universität Graz. Nach dem Tod
seines Professors Josef Stefan übernahm Boltzmann den Lehrstuhl
für Physik an der Universität Wien. Heute noch erinnert das
„Stefan-Boltzmann-Gesetz“ an beide Physiker. Das besagte
Gesetz beschreibt den Zusammenhang zwischen der Strahlungsleistung eines
schwarzen Körpers und dessen Temperatur. Was hier etwas technisch-akademisch
klingt, ist nichts anderes als eine der Eingangspforten in die Quantenphysik
- das erfolg-reichste wissenschaftliche Gedankengebäude aller Zeiten.
Der ganz große Wurf gelang Boltzmann mit seiner Begründung
der statistischen Physik. Er war der Überzeugung, dass die Materie
atomar aufgebaut ist, eine Erkenntnis, die im 19. Jahrhundert noch keine
ausgemachte Sache war. Auf dieser Annahme beruhen alle Überlegungen
Boltzmanns. Seine weltberühmte Entropieformel, die auch auf seinem
Grab in Wien steht (S = k * log W), öffnete den Weg zu einem physikalischen
Verständnis des scheinbar so einfachen Begriffs der Wärmeenergie.
Ludwig Boltzmann beendete - fast blind, schwer leidend und depressiv
- vor 100 Jahren, am 5. September 1906 freiwillig sein Leben.