Der Evangelist Lukas hat über die Geburt des Jesus von Nazareth
nur kurz berichtet. Wir wissen nicht, wie der Stall ausgesehen hat,
wir haben keine Ahnung, ob und welche Tiere anwesend waren. Auch die
Weisen aus dem Morgenland waren keine Könige sondern eher Sterndeuter
aus Babylon. Viele Details kamen später dazu, so auch der Ochs
und der Esel. Vielleicht ist es kein Zufall, dass man ausgerechnet
die beiden weltweit nützlichsten Tierarten in die Krippenlegenden
aufgenommen hat.
Alle Haustiere des Menschen wurden aus Wildtieren gezüchtet.
Der Hund ist ein domestizierter Wolf, die Hauskatze stammt von der
nubischen Falbkatze, das europäische Rind kommt vom Auerochs,
und der Esel von Bethlehem ist - sofern er tatsächlich in der
Nähe der Krippe stand - ein Nachkomme des afrikanischen Wildesels.
Es ist erstaunlich, was alles vom Rind verwertet wird. Das relativ
magere und daher gesunde Fleisch wird in allen Kulturen der Erde gegessen.
Es gibt keine religiösen oder ideologischen Beschränkungen,
wenn man von den Vegetariern absieht. Die Milch der Kühe sorgt
für unsere Käsesorten, Torten, Soßen und andere Feinheiten.
Jährlich werden etwa 600 Millionen Tonnen Milch produziert, allein
500 Millionen stammen von Rindern. Die Haut wird zu robustem Rindsleder
verarbeitet, die Knochen taugen für gute Suppen und als Rohmaterial
für Gummibärchen, und die Hörner dienten als Behälter
oder zierten die Helme wackerer Krieger. Sogar das von Rindern ausgeworfene
Abfallmaterial lässt sich noch vielfältig verwenden. Der
um seine Keimdrüsen betrogene Stier, der Ochs also, war immer
schon das Lasttier der armen Leute, die sich kein Pferd leisten konnten.
Über die afrikanischen Wildesel ist - bedingt durch weitgehende
Ausrottung - wenig bekannt. Sie lebten in Herden von zehn bis fünfzehn
Tieren, die in der Regel von einer erfahrenen und vorsichtigen Stute
angeführt wurden. Bereits eine Stunde nach der Geburt konnten
sie der Mutter folgen. Durch rasches Wachstum erreichten sie schon
nach zwei Jahren das Erwachsenenstadium. Zoologen untersuchten in
den europäischen Zoos die Nachkommen der in den Dreißigerjahren
des 20. Jahrhunderts in großer Zahl importierten afrikanischen
Wildesel und stellten fest, dass es sich um außergewöhnlich
intelligente - und gerade deshalb auch zur Dickköpfigkeit neigende
- Tiere handelt. Genügsamkeit, Robustheit und Kraft machten den
Esel zu einem unverzichtbaren Tragtier.
Beschimpfungen wie „sturer Esel“, „dumme Kuh“
oder „blöder Ochs“ werden nur von gedankenlosen Zeitgenossen
verwendet, die keine Ahnung haben, was die Menschen den beiden sagenhaften
Tieren von Bethlehem in Wahrheit zu verdanken haben.
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