Der Begriff der Bildung wird in Zeiten von PISA in den Medien relativ
oft erwähnt, wobei die Meinungen, was denn nun gute Bildung sei,
unterschiedlicher nicht sein könnten. Der im letzten Dezember verstorbene
Literaturprofessor und Autor Dietrich Schwanitz lehrte in seinem Bestseller:
„Bildung - alles, was man wissen muss“ Erstaunliches: "Wenn
man aber keinen Schimmer hat, worum es im 2. thermodynamischen Hauptsatz
geht oder wie es um die ... Schwerkraft bestellt ist, oder was ein Quark
ist, … dann wird niemand daraus auf mangelnde Bildung schließen.
So bedauerlich es manchem erscheinen mag: Naturwissenschaftliche Kenntnisse
müssen zwar nicht versteckt werden, aber zur Bildung gehören
sie nicht." Schwanitz hat hier nichts anderes getan als den Zeitgeist
der Achtziger- und Neunzigerjahre darzulegen. Böse Zungen behaupteten
damals, dass ein Naturwissenschaftler nichts von Kultur verstünde
und dies bedaure. Ein Kulturwissenschaftler verstünde hingegen nichts
von Naturwissenschaften und sei stolz darauf. Die Naturwissenschaften
haben inzwischen an Bedeutung und Ansehen mit den Kulturwissenschaften
gleichgezogen. Trotzdem macht sich ein neuer abseitiger Trend bemerkbar.
In den letzten Jahren teilt man nicht mehr in Musik, Geschichte und Sprachen
einerseits und Biologie, Physik und Technik andererseits ein. Der Modetrend
besteht darin, öffentlich zu erklären, dass dieses und jenes
Wissen nicht wichtig sei. Selbstverständlich kann niemand alles wissen,
das ist unmöglich. Niemand verlangt von uns, die fünf Bücher
Moses’ aufzählen zu können. Aber zu behaupten, dies zu
wissen sei nicht wichtig, ist nicht nur unüberlegt sondern bildungsfeindlich.
Wenn wir Wissen und Bildung nur nach der Nützlichkeit beurteilen,
wenn Politiker meinen, so genannte Orchideenfächer seien nicht bedeutsam
und für dynamische junge Leute ungeeignet, wenn Politikerinnen in
Interviews sinngemäß verkünden, dies und jenes zu wissen,
sei nicht wichtig, weil sich ohnehin alles rasch ändere und wenn
schließlich einfältige Schüler - Internet mit Bildung
verwechselnd - reklamieren, dass dieses und jenes Wissen weder wichtig
noch nützlich sei, dann offenbaren diese Meinungen die Mentalität
von Legehennen. Diese Tiere sind nämlich gleichermaßen nützlich
wie stumpfsinnig, wobei die armseligen Vögel in ihren Legebatterien
ihr reduziertes Leben unfreiwillig fristen. Bildungsverweigerer entscheiden
sich hingegen freiwillig für ein intellektuell und kulturell verstümmeltes
Leben. Wie formulierte es Albert Einstein so treffend? „Zwei Dinge
sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Beim Universum
bin ich mir aber noch nicht ganz sicher.“
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