Was bekümmern uns Fakten, wenn man mit Vorurteilen herrlich zurecht kommt?
Der Spruch, der manchen Ideologen unterstellt wird, besitzt ein Körnchen
Wahrheit, wenn man Entwicklungen der letzten Jahrzehnte unter die Lupe nimmt.
Der Begriff der Demokratie wurde während der französischen Revolution
und zuletzt ganz besonders in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts so lange
diskutiert bis die Demokratie als strahlender und nicht mehr hinterfragbarer
Begriff im Raum stehen blieb. Die Demokratie als Herrschaft des Volkes - so
lautet die Übersetzung des Wortes - gilt demnach als höchstes Gut.
Diese Herrschaftsform hat sich in der westlichen Welt durchgesetzt, und sie
war es in der Tat, welche die Völker vom Tyrannenjoch befreite und der
Gedankenfreiheit zum Durchbruch verhalf. "Die Gedanken sind frei!"
lautet ein bekanntes Studentenlied - der Schlachtruf aller Demokraten.
Den Demokratiebegriff haben einzelne Ideologen jedoch so verinnerlicht, daß
ihnen der Blick für die Realität abhanden gekommen ist. In einigen
Bereichen der Kulturwissenschaften, wie etwa Soziologie oder Psychologie, ist
es Mode geworden, die Naturwissenschaften zu kritisieren, weil sie angeblich
undemokratisch seien. Großartige und wortgewaltige Geisteskrieger sind
mit missionarischem Eifer unterwegs um mit phantastischen Worthülsen die
angeblich demokratiefeindlichen Wissenschaften zu beklagen. Da ist von "absolutistischen
Ansprüchen" der "harten Naturwissenschaften" die Rede, da
wird ein "fehlender kulturspezifischer Kontext" entdeckt und es wird
mehr "demokratische Gesinnung" und schließlich ein "ehrlicher
Kulturrelativismus" eingefordert. Leeres Wortgedröhne. Was aber steckt
dahinter?
In jedem Labor der Welt erhält man bei der Messung der Lichtgeschwindigkeit
die gleichen Zahlen. Nicht nur das. Die Gravitationskonstante (in der Raumfahrt
unverzichtbar), die Avogadro-Zahl (jedem Chemiker ein Begriff), das Plancksche
Wirkungsquantum (jedem Atomphysiker bekannt) und unzählige andere sogenannte
Fundamentalkonstanten sind überall gleich und absolut. Wer immer sie irgendwo
auf der Welt zu bestimmen versucht, erhält von der Natur immer die gleichen
Antworten. Diese Zahlen sind nicht demokratisch zu ermitteln, sie werden von
der Natur gebieterisch vorgeschrieben.
Die Naturwissenschaften an sich sind daher nicht demokratisch. Sie stellen
nur Fragen und entwerfen Theorien. Wer von den Naturwissenschaften Demokratie
fordert und ihnen als Kampfansage einen "Kulturrelativismus" entgegenstellt,
verwechselt zwei verschiedene Kategorien. Die Natur bleibt ewig undemokratisch
und autoritär. Demokratisch muß allein die Anwendung der Wissenschaft
sein. Wer dies verwechselt, hat das Wesen von Natur und Wissenschaft nicht einmal
ansatzweise verstanden.
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