Der englische Biologe und Bestsellerautor Richard Dawkins schreibt
in einem seiner Bücher („Unweaving the Rainbow“ - deutsch:
„Der entzauberte Regenbogen“) über eine erstaunliche
Entwicklung. Es geht um die Tatsache, dass in den USA Menschen mit naturwissenschaftlicher
Bildung zwar nicht immer aber wiederholt als Geschworene abgelehnt wurden.
In den USA haben Anwälte das Recht, potentielle Geschworene intensiv
zu befragen und ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Dahinter steckt
die grundsätzlich vernünftige Absicht, ethnische Gruppen vor
ungerechten Vorurteilen zu schützen. Ein Schwulenhasser wird als
Geschworener in einem Prozess gegen einen Homosexuellen kaum gerecht
urteilen können, ebenso wenig ein harter Rassist, wenn es um einen
dunkelhäutigen Angeklagten geht.
Der Grund, warum amerikanische Anwälte naturwissenschaftlich gebildete
Bürger als Geschworene ungern sehen, liegt in der Furcht vor scharfsinniger
Denkweise. Augenzeugen, Tatwaffen, Fingerabdrücke usw. sind Klassiker
in einem gerichtlichen Beweisverfahren. DNA-Analysen gibt es aber erst
seit etwa eineinhalb Jahrzehnten. Es geht dabei um den Vergleich einer
DNA-Probe des Angeklagten mit der DNA, die am Tatort in Form von Blut,
Haaren usw. gefunden wurde. (Der Ausdruck „Genanalyse“ ist
nicht ganz korrekt, weil keine Gene sondern „repetitive Sequenzen“
verglichen werden, und das sind keine Gene im engeren Sinn. Aber das
nur nebenbei). Wenn nun in der Jury kein Mitglied mit naturwissenschaftlicher
Bildung sitzt, besteht eine geringe aber reale Chance, dass eine DNA-Analyse
von den Geschworenen nicht akzeptiert oder als nicht aussagekräftig
bewertet wird, weil keiner versteht, was es mit all diesen Fachausdrücken
wie Chromosomen, PCR-Reaktion usw. auf sich hat. Andererseits kann ein
einziger Biologe eine ganze Jury überzeugen, und das kann ein Risikofaktor
für einen Anwalt sein, der in erster Linie den Prozess gewinnen
möchte. Wer das großartige amerikanische Gerichtsdrama „Die
zwölf Geschworenen“ gesehen hat, kennt diese Problematik.
Die naturwissenschaftliche Bildung - bei uns jahrzehntelang eher vernachlässigt
- gewinnt seit Jahren wieder an Bedeutung. Denjenigen, die da glauben,
es handle sich um nicht unbedingt notwendiges Wissen, schreibt Dawkins
ins Stammbuch: „Vielleicht wären Anwälte bessere Anwälte,
Richter bessere Richter, Abgeordnete bessere Abgeordnete …, wenn
sie mehr über Naturwissenschaft wüssten und vor allem, wenn
sie stärker wie Naturwissenschaftler denken würden.“
Physiker und Biologen können noch lange nicht alles erklären,
aber um komplexe Naturzusammenhänge begreifen zu können, muss
man systematisch und scharfsinnig denken können.