Das Jahr 1543 betrachtet man als Markstein der kopernikanischen Wende. Damals
veröffentlichte der polnische Astronom Kopernikus ein Buch, in dem
er eine neue Theorie über das Sonnensystem präsentierte. Im
gleichen Jahr erschien ein weiteres Buch, das sich für die Biologie
als genauso revolutionär wie das kopernikanische für die Physik
herausstellen sollte. Dieses Werk mit dem Titel „De Corporis Humani
Fabrica“ (Über den Aufbau des menschlichen Körpers) stammte
vom belgischen Anatomen Andreas Vesalius (1514-64) und war das erste besonders
genaue wissenschaftliche Werk über die menschliche Anatomie, welches
der breiten Öffentlichkeit vorgelegt wurde. Es erschien in einer
Zeit, in der die Buchdruckerkunst bereits erfunden war, so dass Tausende
von Exemplaren in ganz Europa verbreitet werden konnten. Es enthielt außerdem
hervorragende Illustrationen von Jan Stevenzoon van Calcar, einem Schüler
des großen Malers Tizian.
Das Erscheinen des Buches hatte eine folgenschwere Auswirkung auf Vesalius'
Schicksal. Seine Forschungen erschienen klerikalen Kreisen als ketzerisch.
Er wurde zu einer Pilgerfahrt in das Heilige Land gezwungen, wo er tödlich
verunglückte. Die durch Vesalius herbeigeführte Revolution in
der Biologie verbreitete sich jedoch schneller als die kopernikanische
in der Astronomie. Ein Schüler von Vesalius, Gabriello Fallopio (auch:
Gabriel Fallopius 1523-62) setzte die neue Lehre fort. Er untersuchte
das Fortpflanzungssystem und beschrieb die Eileiter, die den Eierstock
mit der Gebärmutter verbinden. Sie werden heute noch mitunter „Fallopianische
Röhren“ genannt.
Der französische Chirurg Ambroise Paré (1517-90) trug zu
einer Perfektionierung der Chirurgie bei. Er begann als Barbierlehrling
und trat in die Armee als so genannter „Barbierchirurg“ ein.
Barbierchirurgen schnitten damals Haare und operierten Patienten. Für
Geschosswunden verwandte Paré schmerzstillende Salben, und starke
Blutungen stillte er durch Abschnüren der Arterien. Er erzielte häufiger
Heilungen als die meisten seiner Kollegen, wobei gleichzeitig weniger
Schmerzen in Kauf genommen werden mussten. Paré erfand auch gut
konstruierte Prothesen, verbesserte die Methoden der Geburtshilfe und
schrieb zusammenfassende Darstellungen der Werke von Vesalius in französischer
Sprache. Die der lateinischen Sprache nicht mächtigen Barbierchirurgen
konnten dadurch etwas über den inneren Aufbau des menschlichen Körpers
lernen, so dass man sich bei chirurgischen Eingriffen nach und nach immer
mehr auf anatomisches Wissen stützen konnte. Paré wird aus
all diesen Gründen auch „Vater der modernen Chirurgie“
genannt.
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