"Der Krieg ist der Vater aller Dinge." Dieser Satz findet sich
in einem Fragment des griechischen Philosophen Heraklit um 500 vor Christus.
Im Bereich der Technik stimmt dieser Satz. Kaum eine technische Erfindung
wurde nicht zum Zweck der Kriegsführung erdacht oder zumindest nach
seiner Entwicklung für militärische Absichten verwendet.
Drei Beispiele sollen dies verdeutlichen. Die Entwicklung der Dampfmaschine
war erst möglich geworden, nachdem man Fräsgeräte zur Erzeugung
von Zylindern entwickelt hatte. Diese waren ursprünglich zur Produktion
von Kanonen bestimmt gewesen. Der Computertomograph ist ein elektronisches
Präzisionsröntgengerät. Seine Konstruktion war erst realisierbar
geworden, nachdem die amerikanischen Militärs die für die Steuerung
der Panzertürme und -kanonen bestimmten Mikroprozessoren freigegeben
hatten. Auch das Internet hat eine militärische Vergangenheit. Die
RAND Corporation sollte in den Fünfzigerjahren ein heikles Problem
lösen. Wie könnte die amerikanische Regierung und ihre wichtigsten
Behörden nach einem atomaren Angriff erfolgreich kommunizieren? Ein
Computernetzwerk im gewöhnlichen Stil kam dafür nicht in Frage.
Man fand eine außergewöhnliche Lösung. Nachrichtenpakete
starteten von einem gemeinsamen Computer und sollten unabhängig voneinander
in einem Zielcomputer wieder zusammenfinden. Jedes Datenpaket suchte sich
seinen eigenen Weg durch das Netzwerk. Dieses militärische ARPAnet
("Advanced Research Project Agency") startete 1969 und verwandelte
sich erst später ins zivile Internet.
Der zynischen Maschinerie des Krieges steht ein großes internationales
Räderwerk des Friedens gegenüber. Es begann mit dem Buch "Eine
Erinnerung an Solferino", das der Geschäftsmann und spätere
Friedensnobelpreisträger Henri Dunant schrieb, nachdem er 1859 die
in Blut und Asche versunkene Lombardei bereist hatte. Dieses erschütternde
Buch führte kurz darauf zur Gründung des Roten Kreuzes. Die
Schweizer Regierung berief 1864 eine Konferenz nach Genf ein, auf der
Vertreter von zwölf Regierungen einen Vertrag mit dem Titel "Konvention
zur Verbesserung des Loses der Verwundeten bei den im Felde stehenden
Heeren" annahmen. Dieses umfassende Abkommen war der erste völkerrechtliche
Vertrag mit humanitärer Zielsetzung. Weitere Verträge sollten
folgen.
Der 8. Mai, der Geburtstag von Henri Dunant, ist gleichzeitig der
Tag des Roten Kreuzes. Morgen ist Muttertag. Wer den Krieg für
unvermeidlich hält, sollte sich wenigstens an diesen beiden Tagen
darüber im klaren sein, daß für das Leben letztlich
nur der Friede unvermeidlich sein kann. Sollte der Krieg tatsächlich
der Vater aller Dinge sein, dann ist der Friede die Mutter aller Dinge.
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