Die Medizin war ursprünglich eine Erfahrungswissenschaft, die in den
Priesterkasten aller Völker gepflegt und überliefert wurde.
Der Grieche Hippokrates von Kos (4. Jahrhundert v. Chr.) gilt schließlich
als der Vater der Heilkunde und somit der medizinischen Wissenschaft.
Den Wissenschaften waren im Laufe der Jahrhunderte wandelbare Schicksale
zuteil. Erfolge und Irrtümer wechselten einander ab. Der Medizin,
der Pharmazie und der Technik ist es jedoch gelungen, das Leben der
Menschen deutlich zu verlängern. Dies hat neue Probleme beschert.
Mehr Menschen, ein längeres Leben, technischer Fortschritt, somit
mehr Unfälle, schrecklichere Waffen und Kriege - diese Umwälzungen
haben in kurzer Zeit neue und massive Ansprüche an die sozialen
Kräfte unserer Gesellschaft gestellt.
Es war notwendig geworden, neben Medizin und Pharmazie ein weiteres
Standbein für die Hilfe am Nächsten zu etablieren. Florence
Nightingale, eine englische Krankenschwester, zählte zu den ersten
Menschen, die dies während ihres großartigen Engagements
im Krimkrieg (1853-1856) erkannte. Der Schweizer Kaufmann Henri Dunant
bereiste 1859 die Lombardei, wo bei Solferino eine blutige Schlacht
zwischen französischen und österreichischen Truppen stattfand.
Voll Zorn mußte Dunant nach der Schlacht erkennen, daß
die Verwundeten völlig ihrem Schicksal überlassen worden
waren. Mit Hilfe von vier einflußreichen Schweizer Bürgern,
darunter zwei Ärzte, gründete der spätere Friedensnobelpreisträger
Dunant 1863 das Internationale Komitee für Verwundete, das später
in "Internationales Komitee vom Roten Kreuz" umbenannt wurde.
Das Rote Kreuz bemüht sich weltweit um Kranke, verwundete Soldaten,
Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und deren Angehörige, sucht
nach Vermißten in Kriegs- und Krisengebieten, kümmert sich
um verlassene Kinder und Waisen sowie um alte und schwache Menschen.
Rasse, Religion, Nationalität, Geschlecht, Alter - all das spielt
keine Rolle, nur der hilfsbedürftige Mensch steht im Mittelpunkt
der Anstrengungen.
Die Wissenschaften, speziell die Naturwissenschaften und somit auch
die Medizin, verstehen sich als neutral, unabhängig und universell.
Diese Definitionen findet man auch beim Roten Kreuz, wo unter anderem
Grundprinzipien wie Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit
und Freiwilligkeit gepflegt werden. Am 8. Mai 1828 wurde Henri Dunant
geboren. Für die Menschen dieser Welt, denen Begriffe wie Humanität
und Hilfsbereitschaft noch etwas bedeuten, ist dieser Jahrestag bedeutsam.
Dunants einzigartiges Vermächtnis, das Rote Kreuz, hat bereits
unzähligen Ländern geholfen, wirtschaftliche und menschliche
Schäden zumindest zu begrenzen. Das Rote Kreuz zählt daher
zu den großen internationalen Bollwerken der Menschlichkeit
in einer an Orientierungsmöglichkeiten armen Zeit.
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