"Die dümmsten Bauern haben die größten Erdäpfel".
Diese bekannte Redewendung kann man auch geschwollen ausdrücken:
"Die Fertilität von solanum tuberosum ist indirekt proportional dem
Intelligenzquotienten des Agrarökonomen". Dieser Satz klingt intellektuell
einschüchternd und besagt im Grunde nichts anderes als der erste.
Die Übersetzung: "Die Fruchtbarkeit der Kartoffel verhält sich
anders als die Klugheit des Bauern". Es geht hier jedoch nicht um das
Denkvermögen von Berufsgruppen, sondern um die leidige Sitte, echte
oder vermeintliche Bildung durch unmäßigen Gebrauch von Fremdwörtern
in den Vordergrund zu stellen. Es geht um das lästige Unvermögen,
einfache Dinge verständlich auszudrücken.
Die erste internationale Sprache der Wissenschaft war Griechisch. Eine
große Zahl von wissenschaftlichen Fachausdrücken verdanken
wir dem Griechischen. Auch bedeutende Schriften, wie etwa die Evangelien,
wurden in griechischer Sprache geschrieben. Latein als Informationsträger
des Wissens sollte sich erst später durchsetzen.
Untersucht man die geheimnisvolle Ausdrucksweise der Wissenschaft etwas
genauer, so stößt man regelmäßig auf die gleichen
griechischen und lateinischen Wörter, die einschlägige Lexika
gut erläutern. "Hyper" (griechisch) bedeutet beispielsweise
"darüber" oder auch "mehr als die Hälfte". "Hypo" (griechisch)
bedeutet "darunter". "Tonus" (lateinisch) heißt "Spannung". Unter
Hypertonie und Hypotonie versteht man in der Medizin nichts anderes als
hohen und niedrigen Blutdruck. Innerhalb der Wissenschaften sind definierte
Fachausdrücke unverzichtbar. Im Umgang mit Patienten oder mit interessierten
Laien unterscheidet sich jedoch der gute Arzt oder Vortragende von den
Schwadroneuren. Letztere verstecken sich hinter klangvollen Fremdwörtern.
Erstere präsentieren ein Thema so umgänglich, dass auch Nichtfachleute
das vermittelte Wissen verstehen.
Die Unsitte, mit Fremdwörtern eine Art Schaumsprache zu erzeugen,
ist in den Kulturwissenschaften des deutschen Sprachraumes weit verbreitet.
Der Philosoph Sir Karl Popper (1902-1994) hat diese Unart in einem erst
vor wenigen Jahren veröffentlichten Brief ("gegen die großen
Worte!") angeprangert. Popper "übersetzt" darin unter anderem Sätze
der Philosophen Theodor Adorno und Jürgen Habermas vom Fremdwörter-Kauderwelsch
ins Deutsche. Popper kommt dabei mit der Hälfte der Wörter aus.
Popper meinte dazu sarkastisch: "Das grausame Spiel, Einfaches kompliziert
und Triviales schwierig auszudrücken, wird leider traditionell von
Soziologen, Philosophen usw. als legitime Aufgabe angesehen." Der wahre
Philosoph und Wissenschafter wählt laut Karl Popper seine Worte so,
dass allgemein verstanden werden kann, worum es geht.
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