Alles, was Menschen erzeugen, kann in betrügerischer Absicht gefälscht werden. Der Betrug ist der siamesische Zwilling der Intelligenz. Sogar Tiere betrügen, allerdings nur, wenn sie zu höherer Kopfarbeit fähig sind. Wenn zwei Raben auf einem Ast sitzen und einer von ihnen erspäht einen fetten Wurm, dann kann es passieren, dass dieser einen gellenden Warnschrei ausstößt. Der andere Rabe erschrickt und fliegt weg, worauf sich der erste seelenruhig die Beute schnappt.
Gelogen und betrogen wird überall, auch in den Wissenschaften, wobei die Grenzen zwischen Betrug und Selbsttäuschung zuweilen schwer zu ziehen sind. Manchmal waren die Betrügereien so gravierend, dass sich die Politik darum kümmern musste. In den USA führten in den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts spektakuläre Fälschungen dazu, dass der Kongress in Washington einen Untersuchungsausschuss einsetzte, der sich intensiv mit Betrug in der biomedizinischen Forschung beschäftigte. Die Untersuchungen waren leider von journalistischer Hysterie begleitet, was dazu führte, dass unschuldige Wissenschaftler medial durch den Schmutz gezogen wurden.
Der erste, der sich systematisch mit Wissenschaftsbetrug beschäftigt hat, war der englische Mathematiker Charles Babbage (1792 – 1871). In seinen „Betrachtungen über den Niedergang der Wissenschaft in England“ schrieb er über das Phänomen des Betrugs und zählte dabei verschiedene Kategorien auf, die heute noch Gültigkeit haben. Die schlimmste, wenn auch seltenste Form des Betrugs nannte Babbage „forging“, was so viel wie „schmieden“, im übertragenen Sinn „fälschen“ heißt. Es geht dabei um frei erfundene Daten. Das Ziel ist, ein gefälschtes und vermeintlich sensationelles Ergebnis zu präsentieren und irgendwie zu hoffen, dass die Sache nicht auffliegt. Deutlich häufiger ist das „cooking“, bei dem Messwerte – bewusst oder unbewusst - weggelassen oder ignoriert werden. Die Ergebnisse werden zwar nicht frisiert, erbringen aber falsche Mittelwerte und Varianzen. Am schwersten ist das „trimming“ nachzuweisen, was im Deutschen „Datenmassage“ genannt wird. Dabei werden Messwerte so lange manipuliert, bis sie in ein vorgefertigtes, meist ideologisches Schema passen.
Das diesjährige Sommerthema des VN-Scheinwerfers beschäftigt sich mit Betrug und Selbstbetrug im Bereich der Wissenschaften. Selbstverständlich handelt es sich nur um eine kleine und subjektive Auswahl. Es kommen bis Anfang September folgende Themen zur Sprache: Der Piltdown-Mensch, Fußspuren am Paluxy-River, N-Strahlen, Einsteins Ehefrau, Psychoanalyse, Bruno Bettelheim, Wassergedächtnis, Boris Lyssenko, kalte Kernfusion und die Epigenetik.